# 537: Lebens-Prioritäten
Mit tief empfundenem Dank an BK für Dein Sein, an MP für Deine Ehrlichkeit, an MD für Deinen Mut, und an IP für Deine Inspiration zu diesem Text.
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Psalmen 90:12)
Vor etwa einem halben Jahr ließ ich von heute auf morgen meine ehrenamtliche Seelsorgearbeit für unbestimmte Zeit ruhen. In der Email, die ich an das Team schrieb, gab ich keinen Grund dafür an und löste einen gewaltigen Rums an Überraschung, Fragezeichen und teils Traurigkeit aus. Ich wusste zwar, dass ich den „wahren“ Grund, der letztlich am Abend zuvor diese Entscheidung bedingte, hätte benennen können. Ich wusste aber auch, dass diese auslösende Situation nur der berühmte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. In Wahrheit hatte ich schon seit vielen Monaten innerlich gewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Und das hat nichts mit anderen Menschen oder Arbeitskontexten zu tun — das hatte einzig und allein mit mir zu tun.
Heute erst kann ich klarer sehen und benennen, was das wirkliche Problem war: Es waren mangelnde Prioritäten im Leben. Und wenn ich diese Geschichte hier einleitend beschreibe, dann nur, weil sie als Beispiel für etwas wesentlich größeres steht. Ich möchte also behaupten, dass mir diese Reflexion zu den Prioritäten verdeutlicht hat, dass man so ziemlich jedes „Problem“ im Leben — also Dinge, die einen innerlich oder äußerlich belasten — mit Prioritäten beschreiben bzw. erklären kann. Das ist an sich nichts Neues und ich bin eine von Millionen Menschen, die im Laufe der Geschichte darüber geschrieben haben. Mir ist es aber genau jetzt und genau in dieser Zeit ein Anliegen, diese Erkenntnisse, die wirkliche Aha-Momente zusammenfassen, zu teilen.
Damit meine ich nicht, dass sich die Welt so dermaßen verändert hat, dass man heute andere „Lebensregeln“ braucht als zuvor. Und das sage ich bewusst so, da ich finde, dass die vielzitierte „Komplexität“ der Welt eben auch nur ein „Eindruck“ ist, den man mit mangelnden Prioritäten der Wahrnehmung in Verbindung bringen kann. Jedenfalls denke ich eben genau das Gegenteil, dass meine Erkenntnisse hier zeitlos sind und vor hundert Jahren genauso zentral wie heute. Einzig und allein über die Reihung meiner persönlichen Prioritäten kann und darf man sich streiten, das ist ganz richtig so. Mir geht es hier nicht darum, dass meine Prioritäten der Schlüssel zum Glück sind. Sie sind hier als Beispiel aufzufassen, das vielleicht dem ein oder anderen in seinem Leben hilft bzw. Reflexion bieten für eigene Erfahrungen. Viel wichtiger ist mir überhaupt der Anstoß, über die Bedeutung von Prioritäten im Leben nachzudenken und letztlich viele Dinge, die einen gerade zum Verzweifeln bringen, in diesem Rahmen neu und anders zu sehen.
Das Etymologie-Wörterbuch definiert eine Priorität als „Zustand des vorzeitigen Daseins im Vergleich zu anderen Dingen“ und als „Präzedenz in Recht, Ort oder Rang“. Das klingt alles ziemlich abstrakt. Was ich damit meine, ist, dass es eine Reihung von Dingen im Kopf oder auf dem Zettel gibt (wobei „Ding“ alles sein kann), bei der eine Sache oben steht; mit „Nummer 1“ markiert. Und diese Nummer 1 lässt uns ohne Hadern und Unsicherheit Entscheidungen mit Klarheit treffen, da sie uns innerlich leitet. Daher ist genau die eine Priorität so zentral. Aus ihr leitet sich alles ab. Und alle nachrangigen Prioritäten müssen diese Nummer 1 zuträglich sein. Es darf keine Zielkonflikte geben. Daher ist es einerseits widersinnig, hier mehrere Prioritäten zu listen, wo das Wort an sich nur ein „Erstes“ suggeriert. Trotzdem braucht es Prioritäten 2–4, um zu zeigen, dass eine Wechselbeziehung herrscht.
Damit ist schon alles gesagt, denn daraus leitet sich alles ab. Wir Menschen haben, auch wenn unsere Augen ein größeres Sichtfeld ermöglichen, nur einen Punkt, den wir in einem gegebenen Moment fixieren können. Und mit unserer Aufmerksamkeit und der damit verbundenen Energie im Leben ist es das gleiche. Ich kann nicht gleichzeitig den Rasen mähen und 50 Meter weiter auf dem Acker die Bohnen ernten. Das geht physisch nicht. Mental machen wir uns immer vor, dass wir zwei Dinge gleichzeitig tun können — das ist aber gemeinhin, so glaube ich zumindest, hinreichend belegt, dass Multi-Tasking nur so lange funktioniert, wie ich bereit bin, bei jeder der gleichzeitig erledigten Dinge Abstriche beim Ergebnis zu machen bzw. Aufmerksamkeit an der ein oder anderen Stelle einzubüßen.
“Makia: Your energy follows your attention,” sagt eines der Huna Prinzipien aus Hawaii (“Huna”).
Was ich hier nachfolgend kurz skizziere sind meine Lebensprioritäten, die sich erst jetzt so klar wieder sortiert haben bzw. die vielleicht noch nie so klar waren. Dabei muss ich auch vorwegschicken, sonst versteht man meine nachfolgende Priorisierung nicht, dass Prioritäten nicht statisch sind. Jede Priorität hat ihre Zeit. Und die “Erledigung” der einen Priorität, ermöglicht oft erst eine andere. Meine Prioritäten unten beinhalten also einen Prozess, der nicht bedeutet, dass Prio 1 für immer und ewig an dieser Stelle steht. Aber ohne, dass ich ihr zeitweise Priorität gegeben habe, hätte ich nie wieder andere Prioritäten setzen können. Man könnte meinen, dass das alles ziemlich trivial ist, weil es vermeintlich jedes Kind weiß, was ich gleich schreibe und darunter nichts ist, was viel Nachdenken braucht. Das kann ja gut so sein. Wenn das aber so wäre, dann wundere ich mich, warum viele Menschen so mit dem Leben hadern, wie ich es zeitweise getan habe. Ihnen möchte ich gern diesen Text schenken, nicht denen, die ohnehin wissen, wie die Welt funktioniert und daher auch nicht Texte wie meine lesen. Das ist auch alles so richtig und gut, wie es sich für jeden richtig und gut anfühlt. Eben genau da beginnt schon das Prioritätensetzen. Denn wer immer erst sieht und glaubt, was die anderen denken und sagen, hat eben den Fokus gerade nicht bei sich.
1. Heilung (Liebe zu sich selbst)
Gesundheit ist alles, sagt man manchmal so lapidar und der Spruch „viel Glück und Gesundheit“ prägt ja fast jede Geburtstagskarte. Was genau Gesundheit wirklich bedeutet, wissen wir erst, wenn wir mal krank waren oder die Krankheit oder den Tod nahestehender Menschen durchlebt haben. Um “gesund” zu werden, müssen wir erst mal heilen. Und dieser Prozess wird uns vom Leben angeboten, sofern wir den Mut haben, uns darauf einzulassen. Was ich aus meiner Geschichte gelernt habe, war, dass ich diese Priorität tatsächlich innerlich hatte, aber sie war mir nicht bewusst. Trotzdem habe ich mir an einem sehr dunklen Punkt in meinem Leben vor mehr als 15 Jahren innerlich diese Priorität gesetzt, dass ich heilen will; dass dies, trotz allem anderen im Leben, mein absoluter Fokus ist, der über allem anderen steht. Was dieses „andere“ ist, das verlockend erscheint, weiß man oft gar nicht. Aber heute kann ich sagen, dass genau diese Priorität auf das Heilen dazu geführt hat, dass viele andere Dinge nicht liefen oder chaotisch erschienen. Trotzdem: Es hat sich gelohnt, denn ich blieb zumindest größtenteils auf Kurs, auch wenn es von außen wahrlich nicht den Anschein hatte. Und damit sage ich nicht, dass der Prozess jemals abgeschlossen ist und das ist auch gut so. “Perfekte” Gesundheit und ein “perfektes” Leben sind kein Leben.
Praktisch geht mit dieser Priorität einher, dass es hier nicht nur um ein Gedankengerüst nach dem Motto „ach, ich sollte weniger rauchen für meine Gesundheit“ geht. Ich meine mit allem, was ich hier schreibe, konkretes Handeln. Natürlich ist der Gedanke die Mutter allen Handelns. In der Birne muss ein Ziel fest verankert sein. Bereits damit schickt man Energie in die Welt. Doch damit sollte Handeln einhergehen. Sprich: Wer an einer physischen Erkrankung leidet, muss alles, wirklich alles Verfügbare, in Erwägung ziehen, um sich zu helfen (wichtig: es geht um das “sich selbst helfen”, nicht warten, bis jemand kommt…). Gleiches gilt für psychische Erkrankungen. Wer behauptet, wirklich ein quälendes Problem lösen zu wollen und im gleichen Zug sagt, dass ihm/ihr eh keiner helfen kann, der hat schon aufgehört, diese Priorität ernst zu nehmen. Wenn Gesundheit meine Priorität ist, dann gebe ich allem immer wieder eine neue Chance, mich zu heilen, egal, wie abwegig oder unbeliebt es sein mag (natürlich nicht abseits ethischer oder rationaler Grenzen).
Nun ist die Klammer wichtig: „Liebe zu sich selbst“. Das soll auf den Ursprung hindeuten, der hier all meine geschilderten Prioritäten rahmt und durch den Psalm zum Auftakt klar wird. Er soll ausdrücken, dass dies hier kein theologischer Text ist, aber durchaus einer, der von meiner Spiritualität getrieben ist. Und diese Spiritualität, dieser Glaube, steht über all den Prioritäten, die ich erläutere. Genau deshalb findet sich auch hinter jedem Punkt die Klammer, die diesen Bezug zwischen “Glaube, Hoffnung und Liebe” verdeutlicht. Im Falle von Heilung und dem Streben nach Gesundwerdung ist diese Liebe an uns selbst gerichtet und diese Selbstliebe ist wiederum die, die die Liebe zu anderen ermöglicht. Es ist auch jene Liebe, die Glaubende von Gott annehmen wollen, wenn sie es wirklich ernst meinen mit dem Glauben und einem Gott, der nicht straft, sondern liebt. Wer sich also selbst liebt, weil er erkannt hat, dass er dafür auf der Welt ist, der setzt nicht wissentlich seine Gesundheit aufs Spiel oder ergreift keine Mittel, wenn er/sie krank ist.
2. Einkommen (Liebe zum Leben)
Das klingt jetzt hier so gar nicht romantisiert, wenn als Priorität 2 „schon“ das Einkommen steht. Für mich ist das tatsächlich neu, das hier so auszusprechen. Über viele Jahre hat mir Geld überhaupt nichts bedeutet und ich war auch noch stolz darauf, wenn mir Leute sagten, „Geld ist Dir doch nicht wichtig“. Sie meinten das ehrlich und gut und trotzdem fällt mir im Nachgang ein, dass genau dieser Eindruck eben richtig war und ich genau wegen dieser mangelnden Priorität streckenweise sehr zu kämpfen hatte — in einer Form, die komplett unnötig war. Ich weiß, dass man in Deutschland trotz aller Offenheit über Geld noch immer nicht redet, sofern man „zu denen gehört, für die Geld doch kein Problem ist“. In Wahrheit ist es aber so, dass jeder zu jedem Zeitpunkt ein Geldproblem bekommen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen.
Was ich mit Einkommen als Prio 2 meine, ist die banale Erkenntnis, dass wir es brauchen, um unabhängig zu sein in der Realität dieser materiellen Welt. Geld bedeutet hier in erster Linie eines: Freiheit. Wir kaufen uns damit schöne Momente, Taxifahrten, vielleicht Klamotten, gutes Essen, was auch immer. Das alles kann man als „Luxus“ hinstellen, was auch sein darf. Für mich ist der wesentliche Faktor aber, dass sich jemand, der Geld hat, nicht von anderen abhängig macht — und zwar in keiner Weise. Und materielle Abhängigkeit kann ganz schnell mit emotionaler Abhängigkeit einhergehen. Natürlich kennen wir auch den Satz, dass zu viel Geld „unfrei“ macht, weil man gar nicht mehr weiß, wohin damit und viel Zeit investieren muss, um das Geld zu managen. Das ist aber erst ab einer Ebene so, die viele eh nicht erreichen. Was ich meine, ist, dass genügend Geld eine Voraussetzung dafür ist, dass ich keine faulen Kompromisse eingehe. Ich muss mich nicht an Leute hängen, die mehr Geld haben als ich. Ich muss auch keine schlaflosen Nächte haben, weil ich nicht weiß, wie ich den nächsten Monat bestreite. Und ganz wichtig für Selbstständige ist, das muss ich hier anmerken, dass die Illusion, man könne durch Unternehmertum und selbst erwirtschaftetes Geld frei und unabhängig sein, eben auch ein Trugschluss sein kann, der alles andere als glücklich macht.
Nun komme ich wieder zur Liebe an der Stelle — in diesem Fall zur „Liebe zum Leben“. Wer “ja” zum Geld sagt, der sagt auch ja zum Leben, indem er/sie sich eben genau das leisten kann, was er/sie braucht. Noch mal: Hier geht es nicht um Luxusgüter. Das „Teure“ ist für jeden etwas anderes. Für mich ist es das Reisen, aber auch der ganz banale Umstand, dass ich mir einen Sekt oder ein schönes Essen kaufen kann, wenn ich dazu Lust habe, und eine Spende für einen guten Zweck geben, ohne mich selbst zur Bedürftigen zu machen. Mehr brauche ich nicht, aber das ist eben schon ganz schön viel. Und wer diese Priorität vernachlässigt, der liebt sich nicht so, dass er wirklich unabhängig von anderen Menschen sein will. Und wahre Liebe bedingt Unabhängigkeit — das eigenständige balancierte Menschsein und nicht die Bedürftigkeit, sei sie emotional oder finanziell.
3. Beziehungen (Liebe zu anderen)
Nun kommt es noch dicker: Beziehungen „nur“ an Platz 3? Wo doch der Mensch auf Beziehung angelegt ist und wir andere Menschen brauchen — von Geburt an? Ja, das stimmt alles, aber ich rede hier von erwachsenen Menschen, die im Jahr 2024 leben. Und ich sage ja nicht, dass Beziehungen nicht wichtig sind. Wie oben geschildert, sind alle unteren Prioritäten in Wechselbeziehung mit Prio 1. Ich sage nur, dass Beziehungen als meine Lebenspriorität in diesem Moment an Stelle 3 genannt sind, weil sie aus dem anderen erwachsen. Und das sage ich gerade nicht, weil mir Menschen egal sind. Ich sage es genau deshalb, weil sich Menschen, die sehr viel sehen und spüren und viele Gedanken über andere Menschen und ihre Beziehung zu ihnen machen, dieses Lebenselement oft so priorisieren, dass es nach hinten losgeht. Dabei kann es um Partnerschaft, Freundschaft oder Kollegialität gehen, auch wenn das unterschiedliche Beziehungsformen sind. Mir geht es wiederum nur um den Fokus: Wer nur bei anderen ist, denkt schnell, dass er ohne diese anderen nicht leben kann. So schlimm der Verlust von Beziehung auch sein mag, er bedeutet nicht den Tod. Im Gegenteil, oft bedeutet er das Leben. Und in meinem Fall hat das Leben gezeigt, dass auch der temporäre Verlust oder Bruch von Beziehungen eine neue Form der Bindung herbeiführen kann, wenn es das Leben so will.
Ich vermute, dass dieser Aspekt der unverständlichste ist bei der Prioritätenreihung, aber was ich hier schreibe ist je eine logische Kette, in der eine Priorität die andere bedingt. Wenn ich gesund bin, liebe ich mich selbst und brauche nicht um mein Leben zu fürchten (zumindest nicht selbstverschuldet). Diese Gesundheit erlaubt es mir, ein unabhängiges Einkommen ohne Abhängigkeit zu generieren. Und diese Unabhängigkeit bedingt Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit. Man wird ein Mensch, der vollends auf eigenen Beinen steht und (theoretisch) niemanden braucht als sich selbst, um sein Leben zu meistern. Jeder, der mit Psychologie Erfahrungen gemacht hat, wird wissen, wovon ich rede. Diese Stärke zu wissen, ich kann mein Leben gestalten, bin nicht ausgeliefert, ist die Wurzel aller Heilung und die Quelle wahren Selbstbewusstseins. Und sie widerspricht überhaupt nicht dem Gedanken, dass es noch etwas Größeres gibt, was uns in unseren Handlungen begleitet und trägt.
Insofern kann auch nur ein solch freier und unabhängiger Mensch Beziehungen in tiefer Liebe knüpfen, die auf Augenhöhe stattfinden und nicht von irgendwelchen Geben/Nehmen-Gleichungen durchzogen. Ich weiß, dass das hier ein Idealbild ist, aber die Realität ist gar nicht so kompliziert. Das Leben bringt ständig neue Menschen und Möglichkeiten für Beziehung zu uns. Wenn alles andere (Prio 1 und 2) im Lack ist, dann spüren wir automatisch, welche Menschen uns gut tun und gehen keine Beziehung mit jenen ein, die unser Leben ruinieren — unsere Gesundheit schädigen. Es ist ja nicht umsonst so, dass Menschen in sehr widrigen Umständen auch in Beziehungen leben, die destruktiv sind. Alles ist von allem anderen abhängig. Wichtig ist aber zu wissen:
DU SETZT DIE PRIORITÄTEN IN DEINEM LEBEN UND DU KANNST ZU JEDER ZEIT VERÄNDERUNGEN AUSLÖSEN, INDEM DU ANDERE PRIORITÄTEN SETZT.
4. Sonstiges, z.B. Ehrenämter, Hobbies, Zusatzqualifikationen… (Liebe zur Welt)
Unter diesen Punkt fällt alles, was nicht unter Prios 1–3 genannt ist. In meinem Fall waren es viele Ehrenämter, früher war es mal der Sport, teilweise das Schreiben als Flucht und weniger als Freude oder gar Broterwerb. Es ist klar, dass jeder Mensch auch diese “anderen” Dinge braucht. Was mir aber auch klar geworden ist, dass wir diese Dinge häufig nutzen, um vor den wahren Prioritäten zu flüchten. Damit sind wir wieder bei meiner Ausgangsgeschichte angekommen.
Ich hatte mir zu Beginn meiner temporären Auszeit im Ehrenamt, auch wenn ich da all dies hier noch nicht so benennen konnte, das Ziel gesetzt, erst zurück zu kommen, wenn die Prioritäten in meinem Leben wieder stimmen. Ich wusste unterbewusst, dass das damals nicht so war, auch wenn ich heute erst drüber schreibe. Ich hatte, wenn auch nicht lange, mich nur noch um Prio 4 gekümmert, damit aber vor mir selbst und anderen cachiert, dass Prios 1–3 aus dem Blick geraten waren und mir um die Ohren flogen. Das konnte nicht gut gehen und das Leben zeigt uns sehr schnell und eindringlich, dass da was aus dem Ruder läuft. Darüber regt man sich manchmal auf. Aber wenn man schon ein bisschen vom Leben und vom Glauben gelernt hat, dann nimmt man genau diese Rückschläge mit Dank, Demut und sogar Freude an.
Ich empfinde diesen Dank im Herzen. Ich bin auch dankbar für jede einzelne Situation und jede Erfahrung, die mich zu diesem für einige radikal erscheinenden Schritt gebracht hat. Er war nötig. Er war ein Befreiungsschlag. Heute kann ich zurückkehren und für mich wissen, dass meine Prioritäten wieder stimmig sind, was nicht heißt, dass das Prioritätensetzen je ein Ende nimmt. Und ich bin sensibilisiert dafür, mir das immer wieder bewusst zu machen. Und ich wünsche allen, denen es genauso geht, dass sie den Mut haben, auch für andere radikal erscheinende Schritte zu gehen, um ihr Leben so zu gestalten, wie es sich glücklich und leicht anfühlt und somit lebenswert ist.