# 535: Kirche und Unternehmertum: Bleibt bei Euch?!

Silke Schmidt
12 min readMay 19, 2024

--

Diesen Monat mache ich ein Praktikum in einer Kirchengemeinde. Ja, wer hätte das gedacht. Silke mal wieder auf einem ihrer vielen Um- und Anderswege, die man das Leben nennt und jede Minute genießen darf. Mir geht es hier jetzt nicht darum, eine gebündelte Reflexion dieser sehr erkenntnisreichen Erfahrung wiederzugeben. Vielmehr möchte ich auf einen Punkt eingehen, der mir zwar vorher aus der Außenperspektive schon suggeriert wurde. Aber ohne die Innenperspektive konnte ich nicht wissen, ob meine Eindrücke wirklich etwas mit der Realität der Kirche zu tun haben und ihren aktuellen Herausforderungen. Diese, wenn auch kurze, Innensicht jetzt hat das aber bestätigt, obwohl ich offen und frei in die Erfahrung gegangen bin.

Um das Ende vorweg zu nehmen, was ja sehr biblisch ist…: Kirche könnte gut von Unternehmer/innen lernen. Immerhin waren viele der prägenden Köpfe des Christentums Unternehmer/innen, zumeist Handwerker/innen: Paulus, oben im Zitat, war Zeltmacher, Jesus soll Zimmermann gewesen sein, Lydia war Purpurhändlerin und damit Pionierin des weiblichen Unternehmertums, wie Priscilla oben in der Apostelgeschichte. Doch warum findet man innerhalb der aktuellen Neugestaltung der Kirchen so wenig Lernen von unternehmerischer Praxis (damit meine ich z.B. den Reformprozess EKHN 2030), wo doch Kirche maßgeblich von ehrenamtlichen Laien mitgestaltet wird, unter denen sicher auch Unternehmer/innen sind? Sind Pfarrer/innen nicht auch von der Persönlichkeit her und ihrer Rolle Unternehmer/innen?

Bevor ich fortfahre, hier eine kurze Definition von Unternehmertum, wie ich es hier in diesem Text verstehe: Unternehmertum als Referenzpunkt meint wirtschaftliche Tätigkeit in Eigenverantwortung. Das gilt für Dienstleistungen und Produkte, sowie für soziale Innovationen. Unternehmertum ist immer insofern auf Ertrag ausgerichtet als ein Unternehmen mindestens einen Menschen ernährt (bei Einzelunternehmern der/die Gründer/in). Unternehmertum ist damit immer existenziell und damit auch biblisch. Ebenfalls beruht Unternehmertum auf menschlicher Kreativität (sei sie auch durch Technik unterstützt). Kreativität und unternehmerische Produktion sind somit nichts anderes als das Ausleben des menschlichen Schöpfertums, das in der Bibel in Genesis beschrieben wird.

Wenn ich oben die Frage „Bleibt bei Euch?!“ mit Frage- und Ausrufezeichen stelle, so meine ich damit eine Doppeldeutigkeit, die einmal negativ und einmal positiv konnotiert sein kann. Die negative Seite ist die provokative rhetorische Frage, ob Kirche nicht offensichtlich gern „bei sich“ bleibt; im Sinne von „unter sich“? Damit meine ich innerhalb der Gemeinde, in einem closed circle, in einer Kirchenblase. Beispiele hierfür kennt wohl jede/r, der/die sich innerhalb der Kirche bewegt. Ich habe das in der Vergangenheit nicht gemacht und kann daher gar nicht so viele geben. Ich kann nur sagen, dass mein Eindruck von außen durchaus diesem „Vorurteil“ entspricht. Doch daran ist zunächst nichts Außergewöhnliches. Jede Gruppe, jede Institution, hat, systemisch betrachtet, Außengrenzen und die gilt es auch ein Stück weit zu schützen, um das Innere zu stärken und zusammen zu halten. Doof nur ist, dass Gott, so nicht nur mein Glaube, für alle Menschen da ist und Kirche das auch ausstrahlen und leben sollte.

Das führt mich zur zweiten Bedeutung, die „bleibt bei Euch!“ mit Ausrufezeichen und positiver Konnotation haben könnte. Eine Kirche, die inhaltlich bei sich bleibt, erinnert sich bei allem, was sie tut, an ihre Wurzeln. Und das bedeutet auch und gerade, dass man sich von nichts und niemandem, auch nicht vom eigens auferlegten innerkirchlichen Organisationswandel, von der ureigenen „Mission“ abbringen lassen sollte. Bei sich zu bleiben heißt hier, das Evangelium unter die Menschen zu bringen und stets im Einklang mit der Bibel zu handeln. Mehr braucht es erst einmal nicht. Wenn man darauf vertraut, dass über 2000 Jahre alte Weisheit alles in sich birgt, was es im Leben zu lernen gilt, dann braucht man sich von keinem Managementtrend oder sonstigem Wandel verrückt machen zu lassen. Man muss nur immer neu und offen in die Bibel schauen, um zu entdecken, dass gerade das, was als ach so revolutionärer Wandel betrachtet wird, weil es z.B. vermeintlich neue Technologien und demographische Entwicklungen als Treiber gibt, eben auch schon vor hunderten von Jahren irgendwie in ähnlicher Form schon mal da war. Da waren Christen in der Minderheit, da waren soziale Missstände, da waren auch innere Konflikte — alles war irgendwie schon mal da und doch hielt man offensichtlich am Kern — Gott — fest, weil es dem Menschen half.

Was hat das nun mit Unternehmertum zu tun? Zunächst ist anzumerken, dass jede/r natürlich aus seinem/ihrem Hintergrund die Welt sieht und versteht und damit auch wertet. Bei manchen passiert das unbewusst, da sie sich selbst nicht hinterfragen und auch wenig den Kontakt mit anderen Berufs- oder Lebensumfeldern suchen. Bei anderen passiert das bewusst, indem sie durch unterschiedliche Lebenserfahrungen immer wieder selbst neue Perspektiven einnehmen müssen und sich dieser gewahr sind. Damit geht keine Wertung einher. Ich selbst kann nach sechs Jahren des Solo-Unternehmertums nicht behaupten, für „das Unternehmertum“ zu sprechen. Zumal jede Perspektive, egal, welche berufliche Brille dahinter steckt, letztlich subjektiv und biographisch einzigartig ist. Trotzdem habe ich im Laufe der Zeit das Unternehmertum von der Innen- und Außenperspektive und gewissermaßen auch theoretisch betrachtet; es schließlich auch als Teil meiner Identität angenommen.

Daraus ergibt sich, dass ich heute, wo ich Kirche „von innen“ kennen lerne, immer wieder daran erinnert werde, wieviel Kirche von einer unternehmerischen Perspektive profitieren könnte. Damit beschränke ich mich hier aus Platzgründen auf diese eine Richtung des Austauschs, wohlwissend, dass es umgekehrt genauso ist. Beides passiert ja bereits an der Schnittstelle zwischen Kirche und Wirtschaft (z.B. in den Kirchlichen Diensten in der Arbeitswelt — KDAs). Doch ich möchte hier einfach nur drei kurze Aspekte herausgreifen, um aus meiner Sicht zu zeigen, welche Gedanken und damit verbundene praktische Führungsinstrumente jedem/r einzelnen Pfarrer/in oder Ehrenamtliche/n helfen könnte, mit den aktuellen innerkirchlichen Herausforderungen, sofern sie als solche empfunden werden, umzugehen.

1. Kundenorientierung

„Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Das scheint ein doofer Spruch aus der Mottenkiste zu sein. Doch wie viele Sprüche dieser Art bringt er eine einfache Weisheit auf den Punkt: Es zählt, dass mein Gegenüber (und sei es ein Fisch, den ich fangen will) etwas von mir bekommt, dass er/sie auch haben will und daher braucht. Sprich: Bedürfnisse müssen gestillt werden. Und da kommt es nun natürlich darauf an, welchen Fisch man denn „fangen“ will. Ich habe keine Ahnung vom Fischen, kann mir aber vorstellen, dass man den Köder gem. des gewünschten Fisches aussuchen muss. Ein Mini-Hering wird nicht so einen großen Wurm verschlingen können wie ein großer Karpfen. Und noch wichtiger hier: Der Hering ist nicht besser oder schlechter als der Karpfen. Ich muss einfach wissen, was ich will. Dass an der ein oder anderen Stelle auch ein ganz anderer Fisch — weder Hering noch Karpfen — anbeißen kann, ist eine Überraschung des Lebens und von Gott so gewollt. Worauf will ich hinaus? Die Menschen, denen die „gute Nachricht“ (Evangelium) kommuniziert werden soll, sollten IMMER Ausgangs- und Endpunkt der Gedanken und Aktivitäten sein.

Ein Unternehmen weiß das sehr genau, weil es morgen pleite ist, wenn es keine Kunden mehr hat. Und keine Kunden mehr zu haben bedeutet nichts anderes als die Quittung dafür zu bekommen, dass man etwas “produziert”, was offensichtlich keiner haben will, egal, wie lange und breit man sich in das eigene Produkt verliebt hat und davon überzeugt ist und sich vielleicht drüber aufregt, dass die Menschen es nicht verstehen können und ablehnen. Entweder macht man dann ganz zu, weil wirklich keiner es haben will. Oder man überlegt noch mal, ob man sich nicht einfach an die „Falschen“ richtet und das Produkt bei einer anderen Zielgruppe erfolgreicher ist, weil genau da die Menschen sind, die es wirklich brauchen und damit auch kaufen. Übersetzt in “kirchens” heißt das: Wenn wir offensichtlich bei den Menschen, die “schon immer da waren”, nicht mehr unsere Zukunft sehen (rein demographisch auch), kaum neue von alleine kommen und die restlichen austreten, würde es zumindest lohnen, sich nach “anderen” umzuschauen. Hunger und Leid gibt es genug, das es zu stillen gilt. Das muss man aber wollen… Das führt mich zum zweiten Punkt.

2. Profil

“To live is to choose. But to choose well, you must know who you are and what you stand for, where you want to go and why you want to get there.” Das hat nicht Paulus oder Jesus sondern Kofi Annan mal gesagt. Doch für mich findet sich eine ähnliche Botschaft in den “Ich bin” Worten des Johannesevangeliums. Damit gehen zwei Dinge einher, die der Reflexion bedürfen. Es geht darum, heraus zu finden, wer man wirklich ist — und zwar im Kern — sonst kann man keine Entscheidungen treffen und danach handeln. Gesamtkirchlich kann man das mit dem oben schon eingeleiteten Thema „abhaken“, dass es um die Kommunikation des Evangeliums geht. Das ist so schön breit und abstrakt, dass man damit „on the ground“ vor Ort in der Gemeinde erst mal nichts anfangen kann, was einem jetzt in dieser Umbruchsituation (so wird sie wahrgenommen) vielleicht weiterhilft. Damit meine ich, dass es aus meiner Sicht darum geht, wieder heraus zu finden, wer man wirklich ist und sein will. Das ist kein Gegensatz — sein und sein wollen und sich dahin verändern. Auch bei Annan und Jesus geht es nicht darum, jemand anderes zu werden als man ist. Doch das darf man erst einmal im Laufe seines Lebens heraus finden — diesen Kern. Und dann ist man natürlich stets dazu eingeladen, ihn auch zu entwickeln.

Was ich sagen möchte, um vom Aspekt der Identität zur Entscheidungsfähigkeit und schließlich zum Handeln als zweitem Unterpunkt zu kommen: Die aktuellen organisatorischen Änderungen laden aus meiner Perspektive geradezu dazu ein, sich zu fragen: Wer sind wir? Was wollen wir? Was ist unser Kern? Wen wollen wir erreichen? (das sind übrigens alles klassische PR und Marketingfragen, ohne die kein Unternehmen professionell arbeiten kann). Und darin liegt die wunderbare Chance, diese Identität wirklich zu leben und strahlen zu lassen. Und das Schöne daran ist wiederum, dass man dann keine Angst mehr zu haben braucht, dass einem eine Nachbarkirche den Rang abläuft. Von Gott aus und naturgegeben sind wir alle anders — auch jede Kirchengemeinde und jede/r Pfarrer/in. Alle haben und leben etwas Besonderes. Doch hier ist eben wichtig, und das scheint mir der Knackpunkt bei all den „Vereinsstrukturen“ und dem „politischen Machtgehabe“, dass man angesichts schrumpfender Mittel keine Ressourcen für Schnickschnack und Egospielchen hat. „Schuster bleib bei Deinen Leisten“. Es geht um das Wesentliche. Da gerade ist die Analogie zu Startups hilfreich. Die bieten nicht eine breite Produktpalette von Adam bis Eva an. Sie produzieren in der Regel genau ein Produkt oder eine Kerndienstleitung und dieses so innovativ und kostengünstig, dass kein anderer mithalten kann und die Kunden überwältigt sind. Bei Startups ist das traditionell Software. Bei der Kirche ist dieser Kern die Liebe Gottes und der Menschen untereinander.

Spürt die noch jemand?

3. Prozesse und Ergebnisse

„Steh auf, nimm Deine Liege und geh“ (Joh 5,1–8). Dieses Zitat von Jesus habe ich auf meiner Website aufgegriffen als ein wunderbares Beispiel, wie Coaching funktioniert. Es geht um das Wecken von Selbstheilungsressourcen im Menschen. Es geht um Impulse und Begleitung, nicht um Ratschläge und Übergriffigkeit aus einer Machtposition heraus. An dieser Stelle hier möchte ich das Zitat im Kontext von Prozessen und Strukturen anführen. Jesus hat, das finden wir kreuz und quer in der Bibel, immer wieder „ver- und gestört“. Er hat “Disruption” betrieben, wie man im Startup Lingo sagt. Er hat sich nicht an das gehalten, was man eben schon immer so gemacht hat. Er hat sich nicht um Standards und Vorgaben geschert. Ihm ging es immer um das „Ziel“ — um den Menschen und um die Heilung. Alles andere war der Weg dahin.

Wenn ich das auf die aktuellen Organisationsstrukturen und Prozesse von Kirche übertrage, wird deutlich, dass man offensichtlich mit den langatmigen Gremienprozessen, Ausschüssen und unendlich langen Sitzungen nicht mehr weit kommt. Das mag die demokratischen Wurzeln und die Beteiligung ankratzen, muss es aber nicht. Auch hier zeigt ein Blick ins Unternehmertum, wie es anders gehen kann. Das soll nicht heißen, dass in Unternehmen alles funktioniert. Aber hier ist der Fokus, das Ziel, ganz klar: Der Kunde muss versorgt werden und wir müssen finanziell überleben. Ergo können wir durchaus diskutieren, aber Entscheidungen stehen im Vordergrund und die sind die Grundlage fürs UMSETZEN — fürs MACHEN. Um nichts anderes geht es. Alles andere ist aufwandsintensives Beiwerk. Und dafür ist man immer offen für Neues und setzt auch neue Formen des Managens ein, um eben flexibel und reaktionsfähig zu bleiben. Hätte Jesus nur geredet und nicht gehandelt, wäre heute vielleicht kein einziges Wort überliefert; hätte kein Mensch zum Glauben gefunden. Will sagen: Prozesse sind Hilfsmittel, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Sie sind nicht der Fokus selbst. Doch genau diesen Eindruck hat man, wenn man sich den Alltag in Kirchen anschaut (damit meine ich den “Durchschnitt”, es gibt immer Ausnahmen). Es ist ein selbsterhaltendes System, bei dem letztlich völlig aus dem Blick gerät, was am Ende für DIE MENSCHEN (außerhalb der Kirchen, außerhalb des Kirchenvorstandes) herauskommt. Bei Unternehmen bringt das den Tod. Bei Kirche scheint, was den Mitgliederschwund und damit die Kasse angeht, der Tod fast unumgänglich.

Ich könnte noch viele weitere Analogien aufzeigen, wie unternehmerisches Denken Impulse für Kirche geben könnte. Und mir ist klar, dass darüber schon viele nachgedacht und geschrieben haben, die sehr viel weiter in den Strukturen der Kirche stecken und/oder Unternehmertum praktizieren. Doch mein simples Anliegen ist es, diese Gedanken als Inspiration für neue Wege an der “Basis” zu lesen und zu beschreiben. Und damit meine ich nicht, dass es an jedem Einzelnen ist, gerade Pfarrer/innen, die Kirche zu retten. Das geht eh nicht. Es geht doch letztlich darum, dass jede/r in diesem System wieder den Mut hat, sich an seine eigenen Wurzeln zu erinnern. Was ich oben zum Finden des eigenen Profils schreibe, trifft auf Organisationen zu, genauso wie auf Einzelne. Ich selbst darf den Mut haben, bei dem zu bleiben, wofür ich stehe. Da ist zuallererst der persönliche Glaube der Kern. Die Beziehung zu Gott ist das, was über allen Strukturen und sonstigen mensch- und politikgemachten Strukturen steht. Und der Dienst am Menschen als “Ergebnis” des Handelns im Glauben ist damit untrennbar verknüpft. Wer dazu in der Tiefe seines Herzens und Gewissens “JA” sagt und sehenden Auges an Sitzungen teilnimmt und den Mund dabei hält, wo sich Kirche nur um sich selbst dreht, der darf tief durchatmen und sich eine Scheibe von der Unkonventionalität und Disruptionsfähigkeit eines Jesus abschneiden.

Zur Erinnerung: Wenn ich als Kunde zu McDonald’s komme, dann habe ich Hunger und will meinen Burger. Der soll lecker schmecken und wenn möglich auch von einem netten Mitarbeiter an der Theke oder am Drive Through serviert werden. Und bezahlbar soll er natürlich auch bleiben. Dann bin ich happy. Mich interessiert es in dem Moment herzlich wenig, ob die Burgerfiliale gerade die letzte Umstrukturierung durchgemacht hat, welche Schichten es gibt und ob sie mit einer weiteren Filiale im nächsten Viertel fusioniert. Darüber mache ich mir als Kunde 0 Gedanken und wenn es sein muss, fahre ich auch drei Ecken weiter für genau diesen Burger. Ich mache mir höchstens Gedanken über die Qualität der Ware und die ethischen Normen des Unternehmens gegenüber Mitarbeitenden und Gesellschaft. Alles andere ist operatives Management hinter den Kulissen, das nicht mein Business ist als Kunde. Genau dieser Blickwinkel sollte Kirchenmenschen wieder deutlich machen, worum es eigentlich geht: um den Burger und um den Menschen, nicht um die Filiale und das Management. Letzteres ist Mittel zum Zweck, nicht umgekehrt. Und damit geht auch einher, dass Managementprozesse und Führung durchaus essenziell sind, nur eben um Platz zu schaffen für das Wesentliche.

Nun werden viele sagen: “Das ist mir alles klar, aber ich kann nichts ändern. Ich muss das alles ja mitmachen. Ich habe schon alles versucht. Einen Burnout hatte ich schon und mein Kollege, den ich jetzt vertreten darf, hat seinen zweiten Herzinfarkt.” Ja, genau, ich sehe das. Am Ende mache ich mit diesem Text hier das, was Pfarrer/innen traditionell gerne machen: Ich predige irgendwelches Schlaubergertum, das sich vielleicht nicht umsetzen lässt. Das ändert an meiner Beobachtung trotzdem nichts. Ich selbst weiß nicht, ob ich jemals innerhalb der Kirche „überleben“ kann, so, wie sie jetzt ist. Ich weiß nur, dass mich klassische Kirche nicht berührt. Ich empfinde bei Orgel, Liturgie und eingeschworenem inner circle mit unausgesprochenen Regeln und manchmal Mobbing nichts. Ich empfinde aber etwas bei Menschen, die wirklich Gott im Herzen tragen. Die mir ehrlich zuhören, von ihrem Glauben erzählen, die Liebe ausstrahlen. Pfarrer/innen im Burnout können das nicht, auch wenn sie dafür mal angetreten sind. Aber Luther wollte auch nicht, dass wir alle Pfarrer werden, um das Reich Gottes auf Erden zu bauen und zu schützen. Auch „nein“ zur Kirche zu sagen, kann ein lautes „ja“ zu Gott sein. Und vielleicht ist das wirklich die Zukunft des Glaubens in der Welt. Die Kirchen mögen schließen und das Wort Gottes lebt auf andere Weise in anderen Strukturen außerhalb der Kirchenmauern weiter.

Können wir uns an diesen Gedanken gewöhnen und bleiben wir damit nicht auch irgendwie „bei uns“?

Reflexionsfragen

1) Hast Du Dir jemals Jesus als Unternehmer vorgestellt? Könnte solch ein Unternehmer heute erfolgreich sein? Wäre er ein „guter“ Chef?

2) Hast Du jemals eine Arbeitsstelle aus freien Stücken verlassen, obwohl Du das Produkt oder die Dienstleistung und die gesamte Idee dahinter geliebt hast, aber mit den Strukturen und Praktiken nicht leben konntest? Hast Du es jemals bereut?

3) Was ist Dir persönlich wichtig, wenn Du „in die Kirche gehst“/eine kirchliche Veranstaltung besuchst? Falls Du das nie tust — was würdest Du Dir wünschen, damit Du hingehst?

--

--

No responses yet