# 519: Verstehen (I)
Gedicht
Du verstehst nicht,
ich weiß.
Mir ging es auch so.
Wie soll man verstehen,
wie Liebe geht?
Sehe das Kind in Dir,
was ich auch war.
Durften nie sein,
wer wir sind.
Unser Kopf durfte wachsen
Unser Herz stand still.
Wurden gelobt und getadelt,
Uns nach Sonne gesehnt.
Waren schon erwachsen,
bevor wir lernten zu schreien.
Unsere Hülle trug uns
das halbe Leben lang.
Die Welt drehte sich,
wir machten mit.
Unser einziger Halt
war das Lernen
und das Vertrauen
in den Verstand.
Wollten gehalten werden,
doch es kam nur Kälte.
Luden alle ein,
die uns verhungern ließen.
Strengten uns an,
ihnen zu gefallen
und brav zu sein.
Die Mauer wuchs weiter
um uns herum.
Der Kopf war verlässlich,
ernährte uns.
Das Glück der anderen
faszinierte uns.
Tief drinnen war klar,
das gehörte nie uns.
Und akzeptierten es
als unseren Weg.
Ich sehe Dich jetzt
und kann Dir nicht sagen,
dass ich weiß,
was Du fühlst.
Erst der Schmerz wird Dir zeigen,
was Angenommensein ist.
Das Kind von damals
nimmst Du in den Arm.
Es wird dauern
bis Du „verstehst“.
Du wirst verstehen,
dass der Verstand unser Teufel war.
Er war unser Anker,
unser Licht in der Not.
Hat uns nie enttäuscht,
aber auch nicht gelehrt,
dass Liebe höher ist
als aller Verstand.
Und nur langsam sehen wir,
dass es gilt für uns.
Können so trauern
über die verlorenen Jahre.
Können wütend sein
auf die Selbstlügen in uns.
Und können dann vergeben,
denn sie hatten keine Schuld.
Wir sind auserwählt,
uns selbst zu heilen
in der Liebe des anderen.
Der Verstand geht nicht verloren,
er bleibt als Instrument.
Doch unser Gefühl ist nun klar.
Der Weg und das Ziel.
Dankbarkeit breitet sich aus
nach der Zeit im Gefängnis.
Müssen uns noch gewöhnen
an den neuen Blick.
Doch nun ist Frühling,
die Sonne hilft.
Ich umarme Dich
und bin bei Dir
wie es niemand war
als Du sie brauchtest
für Dein werdendes Selbst.
Darin liegt unsere Berufung
und unser Glück.
Die Wunde zeigt uns,
wie schön wir sind.
Wir nehmen es an
als Geschenk von Gott.
Du kannst vertrauen,
ich bleibe da.
Und sehe immer,
was außen nicht ist.
Du darfst und sollst sein,
so wunderschön.
Nimm das Kind in Dir an,
Du tröstest es selbst.
Was auch immer geschieht,
werden nie vergessen,
welche Gnade das ist,
Die Liebe
über den Verstand
zu stellen.