# 508: BOOK OF THE WEEK — “Vater unser”
Geschichte hinter der Buchauswahl
Es ist die Silvesternacht und ich verbringe sie mit Schreiben über das Vater unser. Irgendwie ist das schräg, aber irgendwie auch sehr treffend. Das Vater unser hat für mich auch in diesem Jahr eine Rolle gespielt. Jedoch war es zunehmend weniger in leidenden Momenten. Das hat damit zu tun, dass in diesem Jahr so viel in mir passiert ist. Und gerade noch Ende des Jahres hatte ich die Ehre, eine Trauerrede zu halten. Auch hier spielte das Vater unser eine Rolle — allerdings durch Abwesenheit. Der Bestatter fasste es so zusammen: „Wissen Sie, die Leute wollen immer weniger eine kirchliche Bestattung. Was sie aber durchaus wollen: das Vater unser.”
Das Gespräch, das der Papst hier mit Pozza führt, ist leicht geschrieben und so kompakt, dass man es schnell durch hat. Ich muss gestehen, einige Passagen am Anfang, die ich zur Abwesenheit von Männern als “Väter” gelesen habe, hat mich eher davon abgehalten, gleich weiter zu lesen. Ja, natürlich ist die Abwesenheit einer zentralen Männerfigur potenziell ein „Problem“, um einfach ein nahe stendes Rollenvorbild zu haben. Gleichzeitig hat es mich überrascht, das als Erstes in Verbindung mit der Zentralität des Konzeptes von „Vater“ zu lesen. Schließlich geht Franziskus darauf ein, dass diese Abwesenheit der Väter kein böser Wille oder gar von Angst ist. Gut nur, dass auch noch von anderen Dingen die Rede ist.
- Gebet
Vor einigen Wochen erzählte ich jemandem, dass ich nebenberuflich Theologie studiere. Ihre erste Frage daraufhin war: „Betest Du regelmäßig?!” Ich antwortete sofort mit einem „ja“. Doch um ehrlich zu sein, fand ich die Frage erst einmal etwas „platt“. Platt ist aber genau das, was einen zum Kern hervor dringen lässt. Ich denke schon, dass uns das Vater unser in jeder erdenklichen Situation wieder erden lässt. Und es gibt uns Hoffnung, gerade weil es auswendig aus uns heraus kommt. Noch lustiger ist aber oft, es aus dem Mund einer Gruppe zu hören, die es in einer fremden Sprache rezitiert. Die Worte verbinden, auch wenn wir sie nicht verstehen. Das Wichtigste aber ist: Es geht um “uns zwei” — Gott und den Betenden. Es braucht keine Kirche oder Autoritäten.
Und beten hilft, wenn wir nichts anderes mehr haben…
2. Lebendiges Wort
Es stimmt — die kleinen Bibelausgaben im Hosentaschenformat laden dazu ein, das “Wort Gottes” immer bei sich zu haben. Ich frage mich aber heute, gerade beim Reisen, wer das wohl so macht. Ich jedenfalls habe tatsächlich eine kleine Bibelausgabe in meinem Rucksack und noch eine beim Reisen in meinem Koffer. Das Witzige aber ist, dass ich sie so gut wie nie aufschlage. Es gibt mir einfach ein gewisses Gefühl der Sicherheit, auch wenn ich weiß, dass das rational betrachtet Schwachsinn ist. Ich habe für den Notfall oder eine bestimmte Situation, die auch eine schöne sein kann, das „lebendige Wort“ bei mir und kann mich daran festhalten.
Wir Menschen brauchen auch das Festhalten,
sofern wir dann auch wieder loslassen können.
So oder so ähnlich steht es auch in der Bibel.
3. Alles neu
Tja, „alles neu machen“. Davor gruselt es so manch einem. Damit geht auch einher, dass man vieles Bekannte hinter sich lässt. Es gibt kaum etwas Befreienderes als das. Und wenn man mal verstanden hat, dass es nur diesen Weg nach vorn gibt, dann macht es auch keine Angst oder Mühe mehr. Ja, ich glaube, mit Hilfe des Glaubens können wir uns wirklich ganz neu machen lassen. Ob es andere Wege gibt, weiß ich nicht. Bestimmt gibt es sie. Mir hat der eine gereicht. Ich fühle mich wirklich neu. Natürlich ist da immer noch etwas von einem übrig; dem “alten Ich”. Da bedarf es keiner Angst. Das Wesentliche bleibt. Das ist in uns, es gehört zu uns. Alles andere darf gehen.
Danke, 2023.
Hallo, liebes 2024.
Ich bin gespannt, was Du mich lehren wirst…
Reflexionsfragen
1) Wann hast Du zuletzt das Vater unser gesprochen? Fiel es Dir leicht?
2) Hast Du einen Gegenstand immer in Deiner Tasche? Das ist es — welches Gefühl vermittelt er Dir?
3) Glaubst Du wirklich, dass man ein „neuer Mensch“ werden kann? Braucht es dazu unbedingt den Glauben?