# 497: BOOK OF THE WEEK — “Gut, besser, am besten”

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Roth, Michael, Ulrich Volp, Hrsg. (2016). Gut, besser, am besten: Ethische, theologische und historische Reflexionen zu Leistung und Erfolg in Sport, Kirche und Gesellschaft.

Geschichte hinter der Buchauswahl

Auch mehr als eine Woche nach meiner verfrühten Rückkehr aus Beirut bin ich hier noch nicht wirklich wieder angekommen und will es wahrscheinlich auch nicht. Gleichsam habe ich auch noch nicht wieder in meinen Schreibrhythmus hineingefunden. Alles fühlt sich aktuell nach „Müssen“ an und das ist gemeinhin ein Zeichen, dass da blinde Flecken sind — ein Nicht-Erkennen dessen, was Freude macht, und was nicht. Trotzdem habe ich mich heute dazu „durchgerungen“, das Buch fertig zu lesen und nun darüber zu schreiben. Ja, das klingt furchtbar für Autoren, wenn sie lesen, dass ihre Schriften anderen das “Ringen” abverlangen. Doch dahinter steckt an sich schon ein sportlicher Gedanke?!

Es liegt nicht am Buch, dass mich das Lesen länger gebraucht hat als normalerweise. Im Gegenteil, die hier enthaltenen Aufsätze haben mir durchaus Freude bereitet. Nur ist es so, dass sich mein Sportsgeist nur noch auf die Dinge beschränkt, die eben nicht sein „müssen“, sondern intuitiv aus mir heraus wollen. Und hinter diesem Buch steht mein Plan, darüber eine Hausarbeit in der theologischen Anthropologie zu schreiben. Diesen Plan gibt es schon seit über einem Jahr und offensichtlich sträubt sich etwas in mir, ihn auch umzusetzen. Vielleicht ist dies nun der erste Schritt, das Papier auch endlich anzugehen. Wer weiß…

Die Lektüre des Buches war insofern überraschend und damit sehr angenehm für mich, als ich wirklich über einen neuen Bereich der Theologie und Philosophie lernte, der mir zuvor absolut entgangen war. Abseits der persönlichen Begegnung mit einem der Herausgeber war mir die Verbindung zwischen Theologie und Sport bzw. zwischen Kirche und Sport absolut nicht klar. Und vielleicht liegt darin auch schon eine inhaltliche Erkenntnis oder gar Wertung. Für mich haben beide auf den ersten Blick so viel gemeinsam wie mein Hund mit einem Pfarrer. Aber vielleicht habe ich etwas übersehen?

Meine etwas sarkastische und durchaus reduktionistische Wertung dieser Beziehung hat sicher etwas mit meiner Erfahrung von Kirche zu tun, auch von Theologie. Wenn ich in eine Kirche gehe, dann sind da meistens Menschen, die versuchen, sich bloß nicht so zu geben, wie es ihr Menschsein eigentlich will. Sie ziehen sich „nett“ an, versuchen ihre Emotionen im Zaum zu halten, verstecken sich hinter theologischen Definitionen von Liebe, wollen möglichst „richtig“ singen und sind auch sonst alles andere als laut und unangepasst in ihrem Wesen. Kurz gesagt: Sie sind auf Homogenität aus, auf Dazugehören, auf Gemeinschaft und derlei Dinge, die mir ziemlich fern liegen. Und vor allem sind sie meistens eines: Sie sind nicht wirklich bewusst in ihrem Körper, ihrer Körperlichkeit — sie sitzen da, steif und artig, und meist haben sie tatsächlich lange keine Sporthalle mehr von innen gesehen (was oft auch am fortgeschrittenen Alter liegt).

Bin ich ketzerisch?

Wahrscheinlich ist das so, aber es kann mir auch egal sein. Ich habe mich nun lange genug herumgequält mit dem Gedanken, einmal Pfarrerin zu werden. Wie belastend allein der Gedanke war, habe ich erst gespürt, als ich ihn losgelassen hatte. Damit meine ich nicht, dass Pfarrersein irgendwie falsch oder negativ ist. Es ist nur einfach etwas, das wenig mit mir zu tun hat. Natürlich kann ich das gar nicht wissen, denn ich habe es ja nie gemacht. Aber gefühlt ist das eben so. Und eine wesentliche Rolle bei diesem Ringen nach einer Antwort hat auch der Vergleich mit den Menschen gespielt, die eben Pfarrer sind oder sich Gemeinde nennen.

Ich habe bislang keinen einzigen Pfarrer kennen gelernt, der wirklich gut mit seinem Körper umgeht.

Viele sind zu dick, weil sie den Kummer der Welt in sich rein fressen.

Oder sie sind träge, weil sie sich aufgrund der lebenslangen Verbeamtung nicht mehr „anstrengen“ müssen.

Oder sie sind absolut vergeistigt und haben daher körperliche Ertüchtigung nicht mehr nötig.

Oder sind das alles nur meine Vorurteile?

Mir geht es hier nicht um Pfarrer- oder Kirchenbashing. Der Sammelband zeigt aber auch eines, das Michael Roth in seinem abschließenden Beitrag auch anspricht: Die Kirche befasst sich zwar mit Sport, aber vorwiegend kritisch/negativ. Damit ist das Leistungsprinzip gemeint, das dem Sport innewohnt. Und das mag die Kirche nicht, so zumindest der Eindruck von Menschen, die dazu mehr gelesen haben als ich. Und nun wage ich mal eine steile These, die ich hier nicht belegen kann und die auch diesen Beitrag hier nicht näher dominieren soll: Aus meiner Sicht hat die Ablehnung des Leistungsprinzips im Sport damit zu tun, dass Kirche und Glaube, zumindest in der gelebten institutionalisierten Form (ich trenne hier Kirche von individueller Spiritualität), sehr viel mit Leistung zu tun hat und genau deshalb reibt sich die Kirche auch so an dem Konzept im Sport. Will sagen: Die Kirche will sich selbst nicht ins Gesicht blicken.

Psychologisch ist das durchaus verständlich.

Wir laufen immer vor uns selbst weg,

bis es nicht mehr geht.

Was ich damit meine, ist, dass Glaube aus meiner Perspektive und Erfahrung etwas mit Leistung zu tun hat. Ein guter Christ ist einer, der die Bibel kennt, in die Kirche geht, und sich „christlich“ verhält. Da können neue Theologien noch so kritische Gegenentwürfe beisteuern — im Kern geht es doch darum. Kann ein Christ jemand sein, der die Bibel nie liest, aber behauptet, Gott erfahren zu haben? Kann ein „guter Christ“ ein Künstler sein, der Menschen mit seinen Bildern das Herz öffnet und Gott wortwörtlich sehen lässt, ohne auch nur einmal in die Kirche zu gehen? Kann ein guter Christ jemand sein, der Theologie studiert, aber sich nicht als Christ definiert?

Die Antwort ist einfach und zugleich überflüssig, denn alle oben genannten Gruppen von Menschen geben einen Sch… darauf, ein „guter Christ zu sein.

Sie haben andere Kriterien, um Glück und Liebe zu leben.

Geht es nicht eigentlich darum beim Glauben — Liebe und Freude,

statt Qual und Scham,

statt Sünde und Verdammnis???

Bevor ich mich hier jetzt in Untiefen des Zynismus begebe, möchte ich zurück zum Buch kommen. Jeder der Aufsätze beleuchtet das Thema Sport und Leistung aus unterschiedlicher Perspektive — mal mehr, mal weniger theologisch. Gerade am Anfang werden Bezüge zu Leistungsgedanken in der Bibel, z.B. bei Paulus, aufgezeigt, die mir so nie aufgefallen wären. Wie „praktisch“ relevant diese für den gelebten Sport sind, bleibt offen. Aber Wissenschaft ist eben Wissenschaft und damit zweckfrei.

Was mir jedoch fehlt, und das sage ich wohlwissend, dass so ein kleiner Sammelband eben nicht die ganze Welt des Sports beschreiben kann, ist der Beitrag zur Ethik im Sport. Diesem Thema werde ich mich in dem Papier zum Bergsteigen und Sportethik und –theologie, so es dieses denn wirklich geben wird, widmen. Was ich damit aber generell meine, ist: Was bringt uns das ganze Denken und Philosophieren nun konkret wenn es darum geht, ethische Probleme im Sport zu „lösen“? Mit Lösen ist bei Ethik nie gemeint, dass es, wie manches Mal in der Mathematik, eine richtige und logische Antwort gibt. Aber nehmen wir mal die folgenden Fragen, die mir aus der aktuellen Sportberichterstattung in den Sinn kommen:

Wie steht es um die Leistungsbemessung von Transgender-Sportlern? Was ist „gerecht“?

Kann Sportethik und Theologie Sportlern helfen, die im Sport Missbrauch erlebt haben oder zu Doping gezwungen wurden?

Ist es ethisch und “gesund”, zuzuschauen, wie eine ganze Gesellschaft zwar zunehmend in irgendwelchen Fitness-Studios herumtobt, jedoch den wahren Wert von Selbstausdruck und Überwindung im Sport gar nicht mehr kennt?

Dies sind nur einige Fragen, die einem in den Sinn kommen können. Es gibt sicher noch unzählige andere und ich bin mir sicher, dass diese auch irgendwo in der Literatur diskutiert werden. Was für mich positiv zu erwähnen bleibt, ist die Tatsache, dass sich wissenschaftliche Theologie überhaupt mit dem Thema Sport befasst. Ich finde, beide Bereiche können viel voneinander lernen. Für mich persönlich gilt leider weiterhin, dass die Sporthalle eher mein zu Hause bleibt als die Kirche. Und Sportler, die gerade einen Wettkampf erfolgreich beendet haben und auf dem Siegertreppchen anfangen zu weinen, berühren mich stets mehr, als ein Pfarrer, der Paulus zitiert. Aber das macht nichts. Wie beim Sport und im Leben geht es darum, den eigenen Weg zu finden. Und dabei sollte, so denke ich, auch die Theologie helfen.

Oder etwa nicht?

  1. Entweder-Oder
Frenschkowski, „Sport und Krieg“ 39

Diese Passage habe ich allein wegen der „Entweder-Oder“ Feststellung heraus gegriffen. Der Grund ist ein persönlicher. Ich kämpfe fortwährend mit dem „richtigen“ Weg, um mit der Veranlagung um zu gehen, eine Entweder-Oder Mentalität zu leben. Die Ursache dafür kann sein, dass ich diese Auffassung durchaus mal mit Freude vertreten habe und sie mir „Glück“ beschert hat, dies aber heute nicht mehr der Fall ist. Fakt ist auch, dass ich von Kindheit an Sportlerin bin und als Sportler eben in einem Wettkampf ein Entweder-Oder per se nicht in Frage kommt. Man kann nicht „ein bisschen“ gewinnen oder verlieren. Und Wettkampf ist eine Frage von „ja“ oder „nein“. Nichts anderes beschreibt die berühmte Kinderfrage beim Tischtennis, die oft auch auf Gender-Stereotype von Wettkampf übertragen wird, welche ebenfalls im Buch aufgegriffen werden (z.B. Krief und maskuline Metaphern). Der Junge fragt nach kurzem Einspielen das Mädchen auf der anderen Seite der Tischtennisplatte: “Wollen wir zählen?” Das Mädchen antwortet: “Nein, ich spiele nur aus Spaß.” Ab dem Zeitpunkt, hat sich der Spaß für den Jungen erledigt…

Soll heißen: Es gibt kein “Dazwischen” —

Aristoteles scheint hier der falsche Berater.

Oder sehe ich das zu schwarz/weiß?

Frenschkowski stellt hier die Parallele zum Christsein her. Und ich würde die Ansicht, auch auf Basis meiner oben geteilten Gedanken, teilen. Christsein stellt sich, trotz aller geäußerter Individualitätsphrasen, als sehr totalitäre Angelegenheit dar. Entweder Du bist Christ oder nicht — basta! Für mich persönlich lautet die Antwort ganz klar, dass ich es dann lieber nicht bin als mich einem Kollektiv zu zu ordnen, mit dem ich gefühlt sehr wenig gemeinsam habe. Aber wahrscheinlich ist das einfach auch mein eigener Hang zum „Entweder-Oder“ Denken.

Gewiss hat diese Auffassung etwas mit einem Gottesbild zu tun, dass Nachfolge als etwas Absolutes sieht. Und da hat insbesondere Luther, aber auch jeder andere Theologe, etwas beigetragen zum Entweder-Oder-Denken. Letztlich ist Wissenschaft nichts anderes und übrigens der Grund, warum ich mich mit ihr nicht mehr identifiziere. Man muss in der Wissenschaft und damit auch in der Theologie Thesen haben und Argumente vorbringen. Und dann schimmert da meist, bei aller Zurückhaltung der Autoren, ein Anspruch auf Wahrheit bzw. Überzeugungsanspruch hervor. Das ist verständlich und liegt in der Natur des wissenschaftlichen Geschäftes. Entweder man hat etwas bei zu tragen, oder eben nicht. Entweder man kann überzeugen, oder eben nicht.

Interessanterweise sehe ich nun auch, dass es beim Thema Schreiben und Denken bei mir eine Wende genommen hat, was die Inhalte angeht. Ich sehe mich nicht als “Überzeugerin” und es gibt auch für mich kein Entweder/Oder. Ich habe nicht die eine Position oder fachliche Perspektive. Mich erfreut es schlichtweg, wenn ich meine Gedanken niederschreibe und damit anderen irgendetwas gebe, was auch immer das sein möge. Schon damit beschäftige ich mich nicht mehr, werde aber gern überrascht, wenn Leser/innen mir mitteilen, was sie im Geschriebenen erkannt haben. Einzig das Schreiben an sich ist eine Art „Sport“ für mich. Denn wie jeder Sportler muss ich es tun. Und ich habe, auch wenn es manchmal Mühe macht, keine Inention, damit so schnell aufzuhören. Das Schreiben erfüllt für mich all jene Kriterien, die Roth treffend als einfache Definitionsmerkmale des Sports beschreibt: Leistung, Spiel und Körper/Leib (153).

Bei letzterem Argument ist wahrscheinlich zunächst fraglich, wie das zusammen passt — Schreiben und Körperlichkeit. Aber genauso wie in der Kunst, erfahre ich den Zusammenhang. Geschulte Finger eines Autoren können in einer Weise über die Tasten fliegen, wie es andere nicht können. Da ist somatisches Erfahren dabei. Es ist ein Rhythmus, der als angenehm erfahren wird — als “Flow” (Csikszentmihalyi). Ich würde behaupten, dass der Schreibende ein Verlangen auch aus körperlichen Gründen nach dieser Tätigkeit hat, genauso wie der Athlet einen körperlichen Drang nach Laufen, Werfen oder sonst einer Technik. Beides schließt sich jedoch nicht aus, denn wenn ich das Laufen und Sporttreiben nicht hätte, könnte ich wahrscheinlich auch nicht lange sitzen und schreiben…

Haben Pastoren das auch — ein körperliches Erfahren ihrer Tätigkeit?

2. Passion

Trump in Nisslmüller, „Leistung — Performance — Übung“ 130

Wer hätte gedacht, dass ich jemals Ivanka Trump zitiere? Nun, an dieser Stelle kann ich nicht anders. Ich stimme ihr zu 100% zu in der Aussage, dass wir „Greatness“ nur erreichen können bei den Dingen, die wir wirklich, wirklich lieben. Und oft ist es eine Lebensaufgabe, diese Tätigkeit, vielleicht auch dieses „Talent“, zu finden inmitten der 1000 anderen Dinge, die vielleicht Spaß und zeitweise Erfüllung oder was auch immer bringen. Fraglich jedoch bleibt natürlich, was „Greatness“ bedeutet und warum man es überhaupt wollen sollte — diesen Aufstieg „to the top“?

Im Buch werden viele Gedanken zum Thema Leistungsmessung und Wettbewerb geteilt. Ich möchte darauf nicht eingehen, weil es nicht wirklich spannend für mich ist. Das heißt nicht, dass es „kein“ Thema für mich ist oder war. Im Gegenteil: Es gab Zeiten, da war ich von Leistungswillen zerfressen. Es ging mir gar nicht darum, mit wem ich mich genau gemessen habe und bei welcher Tätigkeit. Leistung war in jedem Lebensbereich mein einziger „Sinn“. Geändert hat sich das mit der Erkenntnis, dass Leistung zur Sucht werden kann. Und ist man einmal durch dieses Tal geschritten, findet man heraus, wie schädlich Leistungswille, aber leider auch die bloße Fähigkeit zu Höchstleistungen als Voraussetzung, sein kann.

Auf so eine Erkenntnis folgt meist die Gegenbewegung des Pendels — die Abwertung von Leistung. Mittlerweile habe ich auch das überwunden, was mich eben zu Trump bringt und dem Teilen ihrer Erkenntnis. Denn daraus geht auch hervor, dass jeder Mensch am Ende des Tages, trotz all der vielen Talente, die wir Menschen mitbringen, nur eines oder sehr wenige hat, die ihn wirklich „an die Spitze“ bringen, so er/sie es denn will. Und dabei ist so viel Wollen und Kampf gar nicht nötig. Denn das, was der Mensch wirklich liebt, wird nicht von ihm weichen. Er wird es unter allen Umständen weiter ausführen und durch das Üben, wie intensiv auch immer, automatisch immer besser. Gefährlich ist Leistungsdruck nur dann, wenn diese Passion — diese Liebe — nicht mehr da ist. Dann wird Leistung zur Qual.

Das Problem ist nur, dass der Verstand kein guter „Coach“ ist.

Unser Herz sagt uns,

was wir wirklich lieben.

Und es sagt uns auch,

wenn wir etwas loslassen sollten.

3. Liebe

Trump in Nisslmüller, „Leistung — Performance — Übung“ 137

Von der Liebe ist erstaunlich wenig in diesem Buch die Rede, weshalb ich diesen abschließenden Absatz in Nisslmüllers Beitrag unbedingt herausgreifen wollte. Dabei muss ich sagen, dass seine Gedanken für mich gerade deshalb anregend und schön zu lesen waren, weil sie „Liebe“ ausdrücken. Entgegen der meisten anderen Autoren in dem Band greift Nisslmüller auf persönliche Begegnungen mit Sportlern zurück und beschreibt diese kurz. Dabei geht es nicht um deren herausragende Leistungen oder hochtrabende Gedanken. Nein, es geht um deren Wirkung auf den Autor. Die Anekdoten spiegeln die Persönlichkeit der jeweiligen Sportler wider.

Von und für Menschen lernen, ist das Theologie?

Wahrscheinlich endet dieser Beitrag von mir jetzt so ketzerisch wie er begonnen hat. Aber ich kann mich der Kritik nicht enthalten, dass wissenschaftliche Theologie, die über Sport schreibt, genauso „weltfremd“ bleibt wie die heutige Wissenschaft allgemein. Die Theologie ist da vielleicht noch etwas näher am Menschen dran, aber es sind Nuancen. Letztlich ist es auch das, was einen Trainer von einem Pfarrer trennt oder im besten Fall verbindet. Ein Trainer kennt jeden seiner Spieler. Er fühlt sich in ihn hinein. Er weiß, was der Spieler braucht, um „besser“ zu werden. Sportler sind so lebenserfahren, wie ich es selten in anderen Lebensbereichen erlebe. Und sie sind daher sehr nah bei Gott, auch wenn sie das für sich vielleicht gar nicht wollen oder realisieren.

Sport bedeutet Schwitzen und Quälen.

Er bedeutet Hoffen und Bangen.

Er bedeutet große Träume zu haben und tief zu fallen.

Er bedeutet den eigenen Körper zu spüren und zu wissen, wann es nicht mehr geht.

Sport bedeutet Sterblichkeit und Verlust.

Er bedeutet Verbundenheit und tiefe Einsamkeit.

Er bringt Liebe aus sich heraus zu den Menschen ohne Gegenerwartung.

Wahre Liebe hat nichts mit Leistung zu tun — so verstehe ich das Liebesgebot der Bibel. Gott liebt nicht den Christen mehr, der mehr in die Kirche rennt oder Bibelkunde mit einer 1 besteht. Leider ist das aber nicht das, was institutionalisierte Kirche lehrt, lebt und ausstrahlt. Und das sage ich nicht mit Wut oder Trauer — das ist einfach nur menschlich. Auch wir Menschen können nah an die selbstlose bedingungslose Liebe herankommen. De facto werden wir aber nicht anders können als den Geliebten anhand seiner „Leistung“ zu messen — die Leistung ansehnlich zu sein, gut zu riechen, seine Socken weg zu räumen, genug Geld zu verdienen, keinen Stuss in der Öffentlichkeit zu erzählen, nicht fremd zu gehen, und, ja, uns genauso zu lieben, wie „wir“ es erwarten.

Das ist Leistungsdruck pur!

Insofern hat Sport doch etwas Einzigartiges, denn, wenn er wirklich mit Hingabe betrieben und teils auch in der Öffentlichkeit dargestellt wird, verliert der Mensch das Ego darin. Da wird geschwitzt, geweint, geblutet, geflucht und verzweifelt. Da ist der Mensch ganz Mensch und schert sich nicht darum, was andere davon denken. All das gehört dazu. All das ist damit gemeint, wenn wir von „Sportsgeist“ und „Wettkampf“ sprechen — der Kampf mit dem Gegner, der nichts anderes als der Kampf gegen sich selbst ist. Wer diesen Kampf einmal kennen gelernt hat, der kann auch außerhalb der vermeintlichen Kunstwelt des Sports gut unterscheiden, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

Glaube sollte kein Kampf sein,

und Liebe keine Leistung –

in der Kirche genauso wenig wie in der wissenschaftlichen Theologie.

Reflexionsfragen

1) Würdest Du Dich als Entweder-Oder bzw. als Schwarz-Weiß-Denker bezeichnen? Warum? Hat sich daran etwas geändert im Laufe Deines Lebens?

2) In welchem Lebensbereich oder in welcher Tätigkeit würdest Du sagen, dass Du Dich in einem Wettkampf befindest, den Du aus Passion und nicht aus Zwang betreibst?

3) Teilst Du den Gedanken, dass Glauben in der Kirche etwas mit Leistung und damit auch mit Erwartungen und Vergleich zu tun hat? Warum/nicht?

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