# 477: BOOK OF THE WEEK — Kinderbibel damals — heute — morgen: Zeitreise, Orientierungshilfe und Kreativimpulse
Geschichte hinter der Buchauswahl
Was es heißt, mit Liebe zu arbeiten, merkt man in der Küche oder der Backstube. Man sieht und schmeckt einem Gericht an, wenn es mit Liebe zubereitet wurde. Manchmal frage ich mich, ob ich noch mit Liebe blogge. Und wenn ich dann durch die Beiträge flippe, speziell durch die Gedichte, dann weiß ich es wieder. Da spüre ich selbst die Liebe, die ich da hinein gesteckt habe, völlig ohne Aufwand oder zu viel Verstand. Bei dem wöchentlichen Book Post ist es manchmal anders, denn das Lesen fällt in einigen Wochen einfach schwerer als in anderen. Und dennoch bringt es mich immer wieder zu mir. Das Lesen ist Meditation und gerade wenn die „richtige“ Meditation in einer Woche zu kurz kommt, dann hilft zumindest dieses kleine Fenster, den Geschmack noch zu behalten.
Oft frage ich mich auch, wie es wohl gewesen wäre, hätte ich als Kind die Bibel gelesen oder nahe gebracht bekommen. Und über einige Strecken meines Theologiestudiums hätte ich mir das sogar gewünscht. Denn dann wäre ich vielleicht irgendwie „bibelfester“ — dachte ich zumindest manchmal. Das ist aber Quatsch. Und die Erkenntnis dieser Tatsache bedeutet Wachstum an sich; das Erkennen nämlich, dass alles genauso, wie es gelaufen ist, richtig war. Und wahr ist, dass ich nicht mit der Bibel aufgewachsen bin und daher eine andere Beziehung zu ihr habe. Und genau deshalb habe ich auch eine andere Spiritualität entfaltet, die eben nicht (nur) auf der Bibel begründet ist.
Und dafür bin ich unglaublich dankbar…
Michael Landgraf hat mit diesem Buch einen Leitfaden für all jene geschaffen, die sich beruflich oder familiär mit der Frage beschäftigen: Wie bringe ich Kindern die Bibel nahe? Das allein kann in einer Wissenschaft enden… Da möchte aber gar nicht hin. Für mich war das Buch, insbesondere die Geschichte der Kinderbibel überhaupt, einfach informativ. Und ich zumindest schließe aus der Geschichte der Geschichten, die man Kindern über die Bibel erzählt hat, dass das Jesus- und Gottesbild über viele Generationen verhunzt werden kann, wenn man eben Geschichten erzählt, die nur mit Moral und Bestrafung zu tun haben. Das nicht wieder geschehen zu lassen, ist ein wesentliches Anliegen dieses Buches, das durch die vielen Abbildungen einen guten Einblick in die Unterschiedlichkeit der Kinderbibelwelt über die Jahrhunderte bietet.
- Arme
Hier ist die Rede davon, dass Kinder lange mit den “Armen” gleichgestellt wurden bzw. umgekehrt. Kurzum: Sie galten die meiste Zeit nicht als „vollständige“ Menschen. Im Glaubenskontext finde ich an dieser Tatsache allerdings witzig, dass die „Armen im Geiste“ aus meiner Sicht eben gerade NICHT spirituall bzw. “geistlich” arm sind. Im Gegenteil — wer arm ist konnte und kann sich vielleicht keine Bibel leisten (was man heute im Online-Zeitalter eh nicht mehr braucht), macht dafür aber ERFAHRUNGEN, die aus keinem Buch gewonnen werden können. Worauf ich hinaus will: Für den tiefen Glauben und den spirituellen Reichtum ist Armut aus meiner Sicht sogar förderlich (was nicht heißt, dass Reichtum oder Armut per sé “gut” oder “schlecht” sind…). Der Arme kennt das Leben in seiner ganzen Tiefe und existenziellen Not.
Ja, das ist trotzdem wertend, aber ich kann nicht anders. Und daher finde ich es nach wie vor nicht so sonderlich tragisch, wenn es nicht für jeden die passende Bibelausgabe gibt — ob nun für Kinder oder Erwachsene mit besonderen Lernbedürfnissen. Ich denke, der Glaube und sogar die „Erleuchtung“, um das Wort mal in den Mund zu nehmen, ist auch oder gerade bei denen, die die Bibel noch nie angefasst haben. Das heißt nicht, dass das Bibelstudium schadet. Im Gegenteil; aus der Fülle der geistlichen Tiefe erkennt der Mensch die Wahrheit der Bibel. Aber wie gesagt: Armut ist genau dafür eine wunderbare Voraussetzung und ich wünschte mir, dass unsere textbasierte und überakademisierte Welt diesen geistigen Reichtum all jener auch nur ansatzweise sehen und begreifen würde, die eben als „arm“ und damit häufig „dumm“ klassifiziert werden.
Und überhaupt: Gerade Kinder sind alles andere als arm, wenn es um das Erkennen von intuitiver Wahrheit geht, die Erwachsene längst verlernt haben!
Trotzdem sind zu viele Kinder auf der Welt, auch im reichen Deutschland, arm!
Das sind genau jene, die von keiner dieser Bibeln hier angesprochen werden, und sei sie noch so schön gemacht.
Diese Kinder haben häufig weder Reli-Unterricht noch Konfi-Zeit.
Auf diese Kinder sollten Menschen in der Kirche noch mehr schauen,
aber nicht mit bunten Bibelausgaben in der Hand —
sondern mit Herz, Verstand und helfenden Händen.
2. Hebammen der Gedanken
Die hier beschriebene Hebammenmethode oder gar –kunst war mir noch nicht bekannt als Ausdruck. Ich mag die Metapher. Allerdings muss man sie natürlich nicht allein auf Bibeldidaktik beziehen; auch nicht ausschließlich auf Bildung und Lernen. Ich denke, wir alle dürfen und können uns zu jeder Minute unseres Lebens als Hebammen verstehen, sobald wir uns im Austausch mit anderen Menschen befinden. Das an sich, wo wir gerade von der Bibel sprechen, zeigt für mich geistige Reife. Wer ständig darauf aus ist, irgendeine Weisheit zu kommunizieren, ist genau da hängen geblieben, wo heute noch viele Lehrer und Pfarrer feststecken. Wer wirklich zeigen will, dass er etwas aus der Bibel gelernt hat, macht das durch die Stille deutlich, die er anderen gegenüber aufbringt, denen er einfach nur zuhört. Auch und gerade das kann im Anderen genau jene Erkenntnis zutage fördern, die ohne den Dialog nicht möglich wäre.
3. Jesus beim Abwasch
Hier erscheinen mir zwei Dinge bemerkenswert. Einerseits finde ich die Schilderung der Basisbibel bzw. des Anliegens der Basisbibel sehr treffend. Sie trifft einen, vielleicht sogar den Kern, der mich am Christentum, wie es durch Jesus verbildlicht wird, fasziniert: dem politischen Widerstand, dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und der Kompromisslosigkeit, wenn es darum geht, dem Mainstream ans Schienbein zu treten. Das ist alles irgendwie pathetisch, aber so ist es für mich. Die Tatsache, dass die Basisbibel aus diesem Motiv heraus um Verständigung bemüht ist, war mir nicht klar, ist aber natürlich leicht an ihrer Sprache und Machart abzulesen. Sie ist ein wunderbares „Instrument“ zur Kommunikation der Kernbotschaften des Evangeliums und schön finde ich es, dass sie eben auch explizit für Jugendliche erwähnt wird.
Der andere bemerkenswerte Aspekt hier ist das Bild von Jesus in der Küche mit Maria und Marta. Die beiden Frauen werden im Prinzip immer erwähnt, wenn es um Frauenbilder in der Bibel geht. Das Bemühen, Genderfragen auch in die Bibeldidaktik einzubringen, sollte heute selbstverständlich sein. Aber Jesus tatsächlich in dieser „abgewandelten“ Form darzustellen, wie er den beiden Frauen im Haushalt zur Hand geht, finde ich einfach originell. Mir geht es an dieser Stelle gar nicht darum, ob das nun zu weit geht oder die eigentliche Geschichte verzerrt. Klar ist doch: Keiner war dabei und alles, was geschrieben ist, kann auch ganz anders gewesen sein. Und daher ist auch Jesus beim Abwasch ganz und gar (un-)möglich sehenswert!
Ein herzlicher Dank an M. Landgraf für dieses Buchgeschenk!
Reflexionsfragen
1) Kannst Du Dich erinnern, wann/wo Du zum ersten Mal von einer biblischen Geschichte gehört hast (auch wenn Du kein/e Christ/in bist)?
2) Wer in Deinem Umfeld ist eine gute „Hebamme“ neuer Erkenntnisse? Wie genau macht er/sie das?
3) Wie stellst Du Dir Jesus in Bezug auf Frauen- und Genderfragen vor? Kannst Du Dir vorstellen, dass er wirklich so „fortschrittlich“ zu seiner Zeit war und Frauen gefördert oder zumindest als gleichgestellt betrachtet hat?