# 469: BOOK OF THE WEEK — „Die Bibel (Einheitsübersetzung)”
Geschichte hinter der Buchauswahl
Vergangene Woche war ich auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Es war ein sehr spontaner Entschluss. Er hat unter anderem Lebensfreude ausgedrückt — eine Freude, die ich erst vor wenigen Monaten wiedergefunden habe, zumindest in der jetzigen Dimension. Und das Motto des Kirchentages war „Jetzt ist die Zeit“. Das kommt aus dem Markusevangelium (1,15). Ich werde nur diese einzige Passage heute besprechen, da es das einzige ist, was mir diese Woche auf dem Herzen liegt. Ja, ich könnte über ein anderes Buch schreiben, das ich durchaus gelesen habe. Aber das muss warten.
Auf dem Eröffnungsgottesdienst waren Tausende von Christ/innen versammelt. Wie immer habe ich mich nicht unbedingt zugehörig gefühlt, aber ich habe es genossen. Es ist beeindruckend wenn eine Masse von Menschen an ein und dasselbe Buch und die Lehre darin glaubt und sich „in Liebe“ versammelt. Natürlich ist klar, dass ein „Event“ ein Motto braucht und irgendwer entscheidet darüber, was es ist. Und dann kann man es sich schön reden und erklären, warum genau dieses Motto jetzt genau das „richtige“ ist. Mich hat es einfach nur berührt, denn ich habe genau in dieser Zeit das Gefühl, dass für einige Dinge in meinem Leben JETZT die Zeit ist.
Wenn wir ehrlich sind, ist die Zeit immer JETZT.
Wir verdrängen das nur stetig und planen für „morgen“.
Wer wirklich LEBEN und LIEBEN möchte,
der lebt und LIEBT im JETZT.
Das ist keine Floskel.
Wer schon häufig erlebt hat,
dass das Leben auch morgen schon vorbei sein kann,
der schiebt nicht alles auf morgen
oder gar für die Rente auf.
Die Zeit ist JETZT.
Vor einer Weile hatte ich schon einmal über die Bibel geblogged. Es erschien mir irgendwie komisch, aber es musste an diesem Tag einfach sein. Genauso ist es heute. Ich wähle die Einheitsübersetzung, da sie mir nahe ist. Sie ist unter allen Übersetzungen jene, die mich persönlich begleitet. Sie hat mich auch zur Taufe bewogen. Das ist deshalb „falsch“, da sie die Übersetzung ist, die eigentlich die Katholligen lesen. Aber da mir diese Trennung ohnehin mehr oder weniger wurscht ist und mein Glaube und sein Ursprung sehr katholisch (was ich damit genau meine — ein andermal…), kann es mir auch wurscht sein, was Protestanten über die Einheitsübersetzung denken.
In dieser Ausgabe steht nicht, „die Zeit ist jetzt“, sondern „die Zeit ist erfüllt“. Und nun könnte man endlos über die Unterschiede der beiden Formulierungen lamentieren und im Urtext nachschauen. Wer mich kennt, weiß, dass ich das nicht tun werde. Mir geht es schlichtweg um die Bedeutung dieser Aussage in Bezug auf die eigene Erfahrung. Es gibt Momente im Leben, da wissen wir: „now is the time“. Oder wir wissen sogar: „now or never“ — so eine Chance kommt nie wieder.
Ich hatte und habe eine solche Erfahrung gerade mit einigen Dingen. Im Wesentlichen geht es um ein Buch, das seit etwa einem Jahrzehnt unveröffentlicht in der Schublade liegt. Ich habe es nie vergessen. Aber ich habe auch nie alles gegeben, um es zu veröffentlichen. Und nun ist das anders. Ich spüre, nach all den wichtigen Schritten der letzten Monate, dass JETZT die Zeit ist. Ich bin bereit. Es muss geschehen. Ich werde alles daran setzen, dass Menschen es lesen oder in anderer Form rezipieren können.
Dieses Buch ist eng mit meinem Glaubensweg verkettet. Glaube bedeutet auch und vor allem Vertrauen. Es bedeutet, dass man Dinge kommen lässt und nicht alles mit eigener Kraft forciert. Es bedeutet, darauf zu vertrauen, dass sich die Dinge fügen. Und es ist letztlich das Vertrauen in die eigenen Gefühle; das Spüren, wann etwas Bestimmtes im Leben dran ist. Auch bedeutet es im Umkehrschluss das Erfühlen dessen, was eben gerade (noch) nicht dran ist. Bei all diesen Dingen geht es also um die ZEIT. Sie ist immer JETZT — aber eben nicht für alle Handlungen.
Als die Jünger damals Jesus nachfolgten, sofern wir dem Glauben schenken, was im Neuen Testament dazu steht, dann war das auch eine „now or never“ Entscheidung. Sie folgten ihm unmittelbar nach und gaben dafür vieles auf, was ihnen bis dahin lieb und teuer war — was ihr Leben ausmachte. Das ist immer so, wenn man einen neuen Lebensabschnitt beginnt — vielleicht ein ganz und gar neues Leben. Man verliert das, was davor war. Aber man weiß, dass es anders nicht geht. Ja, man kann oft vieles auf einmal haben, aber manchmal ist es auch so, dass man nur einen wichtigen Schritt in eine Richtung machen kann, der JETZT dran ist und vieles andere mit einem Schlag ausschließt.
Ich hatte dieses starke Gefühl von „jetzt ist die Zeit“ schon lange nicht mehr so intensiv. Vielleicht hat diese Erkenntnis mich auch mit dem Kirchentag und der Gemeinschaftserfahrung verbunden, obwohl ich mich als Zaungast, als Beobachterin, fühle. Es braucht eine Menge Mut und Kraft, um bestimmte Dinge in Bewegung zu setzen — sei es persönlich oder gesellschaftlich. Wir haben immer die feine „Ausrede“, dass man Dinge auch später machen kann. Warum denn unbedingt heute damit anfangen, wenn man doch vielleicht auch warten kann, bis es andere für einen erledigen?
Dieses Denken ist menschlich und ich werte es nicht. Wir alle haben irgendwelche Restriktionen im Leben, die uns daran hindern, das HEUTE zu tun, was wir gern tun würden oder als richtig erachten. Ich selbst kann mir das an dieser konkreten Stelle in Bezug auf mein Projekt nicht mehr vormachen. Das ist nicht mein Kopf, der das sagt. Das ist schlichtweg all mein SEIN, das weiß, was der nächste Schritt ist. Ich würde es bereuen, nicht damit angefangen zu haben. Damit geht auch wieder Risiko einher und Unsicherheit und vielleicht manche Hürde. Aber das ist es wert. Die Jünger damals wussten auch nicht, worauf sie sich einließen. Sie folgten „einfach“ nach, hatten Vertrauen in das Ungewisse. Sie wussten, das war richtig.
Die Zeit ist jetzt für mich.
Und ich bin dankbar dafür,
dass deratige Erkenntnisse,
trotz meiner Distanz zum Dogma,
immer wieder Faszination an der Bibel wecken —
das Buch der Bücher.
Reflexionsfragen
1) Hast Du schon mal mit etwas viele Jahre gewartet und dann den Schritt gewagt, als Du spürtest, dass es „Zeit war“? Wo wärst Du heute sehr wahrscheinlich, wärest Du diesen Schritt nicht gegangen?
2) Kannst Du es nachvollziehen, dass man sein ganzes Leben hinter sich lässt, um jemandem oder einem Glauben nach zu folgen? Welche positiven Aspekte siehst Du daran abseits aller Gefahren, die das bergen kann?
3) Welche Erfahrung oder welches Erlebnis vertagst Du aktuell immer auf später? Was braucht es, damit Du damit aufhörst und es im Hier und Jetzt umsetzt?