# 458: BOOK OF THE WEEK — “Heile die Wunden Deiner Seele”

Silke Schmidt
6 min readApr 2, 2023

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Bourbeau, Lise (2000/2020). Heile die Wunden Deiner Seele.

Geschichte hinter der Buchauswahl

Wer den Post von letzter Woche mit diesem vergleicht, könnte meinen, das ist eine „Kopie“. Wer dann näher hinschaut, sieht, dass der Titel diesmal leicht anders ist. Nach dem ersten Buch von Bourbeau, das ich gelesen hatte, musste ich direkt das „zweite“ lesen. In Warheit ist es aber genau andersherum. Dieses von heute wurde zuerst publiziert. Es bildet die Grundlage für Bourbeaus „Methode“ der Heilung, auch wenn sie es selbst gar nicht so nennt. Mein Leben jedenfalls hat sie damit verändert. In diesem hier beschreibt sie im Detail jede der fünf Seelenwunden, deren Entstehung, deren Auswirkung auf unsere Wahrnehmung, unser Handeln, unser Selbstbild und schließlich auf unser ganzes Sein. Das Ziel der Heilung ist ganz einfach: Liebe. Und zwar zu sich selbst und schließlich auch zu anderen. Wer das erreicht hat, kann sagen, er hat gelebt — und zwar glücklich.

  1. Spiegel
Bourbeau 13

Das ist das „Kleine 1x1“ der spirituellen Lehre. Da es so „counter-intuitive“ ist, kommen wir meist nicht von selbst drauf. Wer das Prinzip wirklich verinnerlicht hat, wird erkennen, wieviel Leid er sich und anderen zugefügt hat. Sich selbst, da er sich lange aufgeregt und bemitleidet hat aufgrund des Verhaltens anderer. Und anderen, da wir ihnen mit eben diesem „verhassten“ Verhalten genau das antun, was uns innerlich zerreißt. Dann heißt es vergeben — den anderen und uns. Letzteres ist schwieriger. Es braucht lange Arbeit und, ich würde sagen, spirituelle Praxis. Denn vergeben können wir nur wenn wir verstanden haben, dass wir, sofern wir wirklich wir selbst sind, andere immer verletzen werden. Aber nur dann sind wir in der Kraft, die auch bewirkt, dass wir anderen wahre Liebe schenken.

Ich weiß nicht, ob jeder Mensch diesen Drang hat, diese Liebe wirklich zu erfahren. Wenn ich um mich herumblicke, dann sehe ich es nicht. Aber das ist wertend, soll es gar nicht sein. Ich will nur sagen, dass ich über meinen Weg zufrieden bin — „zu-frieden“. Das ist fast mehr als „glücklich“. Denn ich habe mich nie auf ein „Mittelmaß“ eingelassen. Und das hat mich schließlich dahin geführt, diese tiefen Erfahrungen begleitet von einem langen Heilungsprozess zu durchlaufen. Damit einher geht immer auch die Frage der Berufung — des Seins in dieser Welt und dem Wirken darin. All das bildet eine Einheit. Und Menschen die Liebe zu schenken, die sie selbst auf diese Reise bringt, ist ein Geschenk der Gnade. Wir werden nie durchdringen, wo all das seinen Ursprung nimmt. Aber wir kommen dem nah, sofern wir es wollen und das auch in unserem Verhalten aufnehmen. Dann können uns menschliche Spiegel nichts mehr „anhaben“. Die Angst, die das zerstörerische Verhalten auslöst, ist weg.

2. Glück

Bourbeau 161

Dieser Begriff „Glück“ ist irgendwie zu einem Alltagswort geworden. Oft fragen wir andere, ob sie „glücklich“ seien. Und wir fragen uns das sicher auch oft. Ob wir immer ehrlich bei der Antwort sind? Und ob wir den Begriff des Glücks wirklich absolut denken? Was hier geschrieben steht, erfordert absolutes „In sich hinein Hören“: Nur dann können wir zu jedem Zeitpunkt wirklich wissen, ob wir mit dem, was wir tun und wer wir sind, wirklich glücklich sind — unabhängig davon, was irgendwer zu uns sagt oder unser Handeln so oder so findet.

Ich weiß nicht, ob man Kinder jemals so aufwachsen lassen kann, dass sie dieses Gespür für das Glück, das sie beim Spielen — beim in sich versunkenen Spiel — erst gar nicht verlieren. Damit wäre die ganze Menschheit anders und sicher glücklicher. Wir werden groß, „erwachsen“, und lernen dabei auch, dass es eben nicht auf uns sondern all die Umstände und Meinungen und Einflüsse um uns herum ankommt — vermeintlich jedenfalls. So verlieren wir das Glück und die Antennen dafür, es überhaupt in uns selbst zu suchen. Sprich: Wir finden heraus, dass all die Glücksjagd im Außen doch zu nichts führt und unser unabhängiges Kinderglück viel Wahrheit in sich hatte. Und ich glaube, es braucht dann massive Krisen, um diesen Wunsch, diese Sehnsucht nach dem wahren Glück, erst wieder zu wecken.

Mit der Sehnsucht ist natürlich noch nichts getan. Aber der Anreiz zur Bearbeitung der eigenen Themen, zur „Heilung“, ist gesetzt. Dann braucht es z.B. solche Bücher, um den Heilungsprozess in Gang zu setzen. Vor allen Dingen braucht es jedoch Mut. Das ist die wichtigste Voraussetzung, die mir auch oft nicht klar ist. Wer heilen will, muss sein altes Leben, alte Glaubenssätze, Freundeskreise und im Zweifel auch sehr liebe Menschen hinter sich lassen. Er oder sie tut es um seiner/ihrer selbst willen. Das klingt egoistisch, ist es aber nicht. Wenn man bedenkt, was ein wahrhaft glücklicher Mensch alles in der Welt bewegen kann, dann sieht man, dass sich die „Investition“ lohnt.

3. Eigenliebe

Bourbeau 165

Bourbeaus Ansatz sieht vier Etappen der Heilung vor. Im letzten Schritt ist man dann man selbst und liebt sich und damit auch das Leben. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich kann nur ahnen, dass alte Menschen häufig ganz von selbst dort ankommen. Aber wenn ich mich in der Gesellschaft umschaue und all die zornigen und traurigen „Alten“ sehe, dann ist das nicht so. Ich wollte nie alt werden mit der Hoffnung, irgendwann glücklich und liebesfähig zu sein. Dafür habe ich zu viel Leid auf der Welt gesehen und teils erfahren, dass ich damit nicht bis zum Sanktnimmerleinstag warten möchte.

Für Menschen, die unter Liebe Sex, Heiraten, Partnerschaft, etc. verstehen, scheint so ein Satz „Liebe ist die Erfahrung, du selbst zu sein“ wahrscheinlich paradox oder zumindest abwegig. Das mag so sein. Vielleicht waren oder sind diese Menschen auch einfach schon immer sie selbst und können damit deshalb nichts anfangen. Wenn das so ist, dann freue ich mich für sie. Für alle anderen kann ich Bourbeau zustimmen, dass das Symptom, anderen weh zu tun und dabei bei sich zu bleiben, eine wirkliche Herausforderung ist. Aber wenn man das überstanden hat ohne dabei in Selbstzweifel, Schuld und Scham zu verfallen, dann ist richtig viel passiert.

Wer all das spannend findet und eine Stimme in sich hört, die zur Suche nach „Mehr“ aufruft, mach Dich auf. Geh den Weg in die Ungewissheit. Geh tief in Dich hinein; in alle Abgründe, Traumata und vermeintlich schlechte Entscheidungen. Schau sie an, beweine sie, schreie die Wut raus, hasse Dich und die Welt, sei verzweifelt, gib jede Hoffnung auf, fühl Dich allein und verlassen. Mach das. Fang mit irgendetwas an, das Dir gerade einfällt. Schließ die Tür zu, mach den Fernseher aus, such Dir Ruhe. Das ist der Anfang. Du wirst sehen, es ist nicht schwer. Danach fühlst Du Dich leer. Und dann wirst Du sehen, dass noch viel mehr kommt — immer mehr. Täglich kommt Neues hoch. Und irgendwann bist Du durch. Dann hast Du Frieden mit allem gemacht — vor allem mit Dir selbst. Und dann ist da nur noch Liebe.

DANKE, Lise Bourbeau.

Reflexionsfragen

1) Was ist etwas, das Du anderen Menschen, speziell nahestehenden, häufig vorwirfst? Könnte es sein, dass Du diese Verhaltensweise auch zeigst? Denk an konkrete Situationen und sei ehrlich zu Dir.

2) Stell Dir vor, niemand würde Dich je für die Arbeit, die Du tust, „loben“ oder sie in irgendeiner Form gut heißen. Würdest Du sie weitermachen? Warum?

3) Wenn man Dir alles nehmen würde, was Du besitzt, alle Menschen um Dich herum, Deine Arbeit, Deine Hobbies — wer bist Du dann?

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