# 446: BOOK OF THE WEEK — “Die Bibel: Was man wirklich wissen muss”

Silke Schmidt
5 min readFeb 5, 2023

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Nürnberger, Christian (2005). Die Bibel: Was man wirklich wissen muss.

Geschichte hinter der Buchauswahl

Wieso kauft man sich ein Buch wie dieses wenn man Theologie studiert? Warum schreibt man auch noch darüber? Müsste man nicht „wissen“, was in der Bibel steht? Die Frage ist aber nicht, was in der Bibel steht, sondern wie es da geschrieben steht. Nicht umsonst findet man mittlerweile neben Luther und der Einheitsübersetzung zahlreiche weitere Übersetzungen (z.B. Basisbibel, Volxbibel…), die das Wort Gottes verständlich für den gemeinen Menschen machen. Meine Motivation hinter dem Buchkauf war, zu sehen, wie Nürnberger die Geschichten beschreibt, damit sie hängen bleiben. Und natürlich spielt auch die Auswahl eine Rolle.

Nimmt man an, dass eigentlich alles in der Bibel irgendwie wichtig ist, steht man vor der Herausforderung, dass nichts hängen bleibt, weil alles einfach zu viel ist. Doch Nürnberger schafft es mit seiner Methode die wesentlichen Geschichten der Schöpfungserzählung, der Urväter Israels bis hin zu Jesus so zu selektieren und zu erzählen, dass sie verständlich im Kontext der heutigen Lebenswelt hängen bleiben. Das allein ist nicht selbstverständlich. Es hat mich überzeugt. Und ich werde auch noch mehr von ihm lesen — und sehr wahrscheinlich auch beschreiben.

  1. Freiheit im Glauben
Nürnberger 63

Wer nichts mit Kirche „am Hut“ hat und sich nur eingeengt fühlt von den starren Traditionen ach so frommer Menschen, wird diese Passage kaum verstehen. Wer aber durch Erfahrung zum Glauben findet, durch wahre Spiritualität, die sehr wenig mit Kirchgang zu tun hat, der wird eine Ahnung davon haben, was Freiheit im Glauben bedeutet. Wer jemals erfahren hat, wie es ist, wenn man die Welt plötzlich durch eine völlig neue Brille sieht, in einem ganz neuen und umfassenden Vertrauen, und in einer Leichtigkeit, die nichts anderes bescheren kann, der kann das Beschriebene verstehen; teilen.

Die Bibel ist Teil davon, aber nicht der einzige.

Wenn wir ehrlich sind, ganz ehrlich, dann verbringen wir einen Großteil unseres Lebens damit, nach äußeren Konventionen zu leben. Oft ist uns das gar nicht bewusst. Und natürlich ist es auch „normal“ in gewisser Weise. Wir brauchen ein paar soziale Regeln, um uns irgendwie „verständlich“ zu machen, „Anerkennung“ in der Gesellschaft zu finden. Wer da ständig auf irgendeinem „Trip“ ist und sich gegen Konventionen sträubt, gilt schnell als unerwachsen oder verrückt. Doch wer wirklich vom Glauben erfüllt wird, dem verrückten Jesus nachfolgt, der braucht auch kein Revoluzzertum. Er oder sie muss noch nicht einmal äußerlich in irgendeiner Weise „anders“ sein. Es ist die innere Kraft, der innere Kompass, das Vertrauen, das plötzlich ein andersartiges Leben — ein freies Leben — beschert.

Dazwischen gibt es noch viele Rückfälle in alte Muster.

Man wird wieder von der „Wirklichkeit“ eingeholt.

Doch Gott holt einen wieder ein.

2. Einfachheit

Nürnberger 130

Nürnberger erzählt hier eine Anekdote des berühmten israelischen Schriftstellers Amos Oz über seine Großmutter. Sie ist diejenige, die den Unterschied zwischen Christen und Juden in den obigen Worten beschrieben hat. Natürlich ist das eine allzu vereinfachte Darstellung. Doch ist sie deshalb „falsch“? Ist sie unzulänglich? Verzerrt sie theologische “Fakten”? Ich würde all diese Fragen mit „nein“ beantworten und mir wünschen, dass wir mehr Theologen und Pfarrer hätten, die genau das können: Die Dinge in solch einfache Worte kleiden, dass sie jedes Kind versteht. Wie auch bei Studierenden und Wissenschaftlern bleibe ich dabei, dass nur Menschen, die die Materie wirklich durchdrungen haben, zu dieser Einfachheit in der Lage sind. Dafür braucht es auch kein Theologiestudium, egal welcher Religion. Es braucht die Nähe zu Gott und das Erspüren tiefer Wahrheit im Leben und seinen Geschichten — seien sie nun verpackt zwischen zwei Buchdeckeln oder eben geschrieben und erzählt vom Leben selbst.

3. Nichts werden wollen

Nürnberger 136

Diese Absätze haben mich umgehauen. Ich wusste nicht, dass Bonhoeffer diese Zeilen geschrieben hat. Aber ich weiß, dass sie wahr sind. Wir alle sind kleine Hiobs. Wir alle bekommen Leiden aufgebürdet, das uns an der Menschheit und vor allem an Gott zweifeln lässt. Manchmal sind wir so verzweifelt, dass wir gar keine Kraft mehr haben, uns über irgendetwas anderes Gedanken zu machen. Das ist gut, eigentlich. Doch dann rappeln wir uns wieder auf und denken, es geht schon, alles wird wieder „normal“. Dabei ist das genau der „Fehler“. Wenn wir so am Ende sind, dass wir gar nichts mehr wollen, dann winkt die wirkliche Freiheit — die Erlösung.

Bei all meiner Suche war ich da schon oft, aber dann wurde ich wieder eingeholt von den Wünschen und Ego-Ansprüchen, die das normale Menschsein so mit sich bringt. Ich stimme überein — „echter Glaube“ ist das nicht. Es ist, wenn überhaupt, ein Schritt dahin. Erst die völlige Aufgabe des „Egos“ bringt die volle Freiheit. Das haben Christen und Buddhisten und wahrscheinlich die meisten anderen Religionen gemeinsam. Erst das Loslassen von allen Zielen und Wünschen bringt den Durchbruch. Dieses Loslassen bewirkt, dass man die Kontrolle abgibt. Und die Kontrolle wiederum ist des Glaubens größter Feind. Wer wahrlich glaubt, der braucht nur das Gespür, diesen Glauben nicht im Wirrwarr des Alltags zu verlassen, ihn tief und in jeder Minute zu spüren.

Dann tauchen kaum noch Fragen auf.

Oder Zweifel.

Dann ist man einfach nur.

Und das Leben sortiert sich selbst.

Und Unmögliches wird möglich.

Reflection Questions

1) Was bedeutet für Dich Freiheit und hat dies etwas mit Glauben und/oder Spiritualität zu tun?

2) Welche Menschen kennst Du in Deinem Umfeld, die komplizierte Dinge in sehr einfacher Sprache und womöglich in Bildern vermitteln können?

3) Was willst Du noch werden (z.B. berufliche Position, Weiterbildungen, Hobbies…)? Was wäre, wenn Du das nicht mehr wollen würdest?

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