# 409: BOOK OF THE WEEK — “Ehelos des Lebens wegen”
Story behind the Book Choice
Hätte mir vor wenigen Jahren jemand gesagt, dass ich dieses Buch lesen und sogar darüber schreiben würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Gut, dass wir nie wissen, wohin uns das Leben so trägt. Jedenfalls bin ich nicht unglücklich darüber, dass mir dieses kleine Büchlein aus der Münsterschwarzacher Reihe in die Hände gefallen ist. Um den Leser noch mehr zu schocken; ich habe es sogar im Kloster gekauft, allerdings nicht Münsterschwarzach sondern St. Ottilien. Was ich dort gemacht habe, geht an dieser Stelle wirklich keinen etwas an. Das betrifft natürlich auch diesen ganzen Blog. Im Prinzip geht alles, was ich hier schreibe, keinen etwas an, es sei denn, er oder sie interessiert sich dafür.
Das mit der Ehe ist eine interessante Sache, die mir immer mal wieder im Kopf herum geht. Gerade letzte Woche hatte ich dazu einen Austausch. Ich werde hier weder etwas aus diesem Austausch noch zu meiner persönlichen Meinung dazu schreiben, die ich im Übrigen gar nicht so recht habe. Dafür beziehe ich mich eben auf Grün. Man könnte meinen, dass ein katholischer Geistlicher ungleich weniger zum Thema sagen kann. Aber das stimmt offensichtlich nicht, denn die Bibel und die Theologie an sich haben dazu eine ganze Menge zu sagen, sofern man sich ihnen zuwendet. Genau das macht Grün, aber er tut es in seiner gewohnt lebensnahen, praktischen und auch persönlichen Perspektive. Er nimmt sich nicht raus aus der Gleichung und zitiert irgendwelche Schlauberger. Das macht ihn, sein Sprechen und sein Schreiben aus.
Das ist lesenswert, ohne Zweifel, auch und gerade für Nicht-Katholiken und überhaupt Nicht-Gläubige. Genau die kann so ein Buch erreichen. Und jeder für sich kann dann entscheiden, wofür Bibel und Glaube heutzutage (noch) gut sind. Für mich ist die Antwort einfach. Wenn man auf der Suche nach einem Fach ist, das sich mit den existenziellen Fragen des Menschen befasst, und zwar in der Tiefe und interdisziplinär, dann landet man unweigerlich bei der Theologie. Die Frage ist nur, wie man mit den anderen Fächern umgeht und ob man sie hinter sich lassen kann. Das ist aber nur meine Frage und die kann mir wirklich keiner beantworten, denn das muss ich selbst hinkriegen.
- Einheit
Wer sich schon einmal mit Buddhismus und Tantra auseinander gesetzt hat, dem ist das alles nicht neu. Ja, die griechischen und hebräischen Worte sind ungewohnt, aber die Tatsache, dass wir alle Mann und Frau — Männlichkeit und Weiblichkeit — in uns vereinen, ist nicht neu. Sie wird nur eben selten im Zusammenhang mit Christentum besprochen. Und vor allen Dingen war mir neu, dass das Wort “monas” und Mönch auch in diesem Zusammenhang gesehen werden kann. Mir leuchtet das total ein und für mich persönlich ist es genau das, was Mönche und Nonnen zu dem macht, wofür sie da sind. Sie haben kein Geschlecht zu repräsentieren. Sie sind dieses Besondere „Dazwischen“, irgendwie nicht von dieser Welt, das sich um den Menschen in seiner Ganzheit kümmert, aber eben ohne ein bestimmtes Geschlecht und damit verbundene gesellschaftliche Konventionen zu repräsentieren.
Ich wünschte, wir würden auch im „zivilen Leben“ dies einfach so hinnehmen und fertig.
Zumal sehr wenige von uns es schaffen, das zu leben.
Ich gebe mir Mühe, aber es ist nicht leicht.
2. Lust zum Leben
Ich muss dazu einfach die Universität ins Spiel bringen. Wer auch immer Wissenschaftlern darin begegnet, zumindest heutzutage, der kann spüren, was es heißt, wenn die Lust am Leben weg ist. Puff! Dabei denken die Menschen immer, in der Uni wäre die Lebendigkeit zu Hause. Wohl dem, der noch an den Osterhasen glaubt. Schade, dass die Klöster weg sind. Schade, dass die Unis keine Klöster mehr sein wollen. Wäre dem so, dann könnten Grüns Worte vielleicht wieder wahr werden. Ich jedenfalls sehe das in den Klöstern. Bei Mönchen und insgesamt Geistlichen, die ihren Ruf leben und lieben, bei denen braucht es keinen Sex im weltlichen Sinne. Die sprühen vor Eros, wie ihn Grün eingehend diskutiert. Ja, Sex ist Lebendigkeit und kann eben auch ohne Ehe integriert werden. Das ist überhaupt der Kern des Buches — Integration von Versuchungen und Gegensätzen.
Eben deshalb ist das Buch lehrreich.
3. Freundschaft
Manchmal frage ich mich wirklich, ob die Menschheit glücklicher wäre wenn es statt der Ehe nur die Freundschaft gäbe. Natürlich argumentieren glücklich verheiratete Paare, ihr Ehepartner sei der beste Freund. Keiner hat das Recht, das anzuzweifeln. Und doch haben die hier genannten Freundschaften zwischen Mann und Frau, die eben qua Amt bzw. Glaube nie zu Ehen hätten werden können, etwas Besonderes an sich — und zwar im Ergebnis. Mit Ergebnis meine ich die Schaffenskraft. Grün geht auf diesen Zusammenhang zwischen Sexualität und Kreativität — obgleich er Letzteres nicht explizit so nennt — durchweg ein. Sexualität ist das Feuer, das in den Menschen Dinge zum Entfachen brennt. Und ich würde sagen, dazu braucht es zunächst eine Begegnung, die das in die Gänge bringt. Es kann eine Begegnung mit einem Thema sein, aber Themen kommen eben auch über Menschen zu uns. Und wenn ich an Franziskus und Klara denke, beispielsweise, dann kam ihr eben die Idee an sich, dass sie ebenfalls in Armut leben wollte und einen Orden in dieser Tradition gründen, nicht erst durch Franziskus. Die Idee war schon früher da. Doch erst durch Franziskus entbrannte das Feuer, das auch umzusetzen.
Und genau an der Stelle gehen Gedanke und Tat ineinander über. Die Freundschaft trägt Früchte, sie bringt etwas Neues hervor. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Theologen mit der Freundschaft befasst haben. Und ich würde sagen, dass die Idee des Aneinander- und Miteinanderwachsens zentral ist, jedoch nur im gemeinsamen Handeln erreicht werden kann. Im Reden allein kann jeder sich auf seine schönen Gedanken berufen — sich zustimmen oder widersprechen. Aber erst im Handeln werden beide zu gleichen Teilen vom Leben herausgefordert. Das hinterfragt und lässt einen zusammen wachsen.
Natürlich ist das alles rein theoretisches Bla, Bla, was ich hier von mir gebe.
Auch Grün kennt die Ehe nur aus sicherlich unzähligen Seelsorgegesprächen und aus dem Studium des Lebens und der Schrift.
Und warum sollte darin nicht viel Weisheit liegen?
Wie mir ein Mönch vor wenigen Wochen in dem Kloster sagte, in dem ich eben jenes Büchlein gekauft habe:
„Das mit dem Heiraten? Schwierig, würde ich sagen, ist nicht so einfach wenn ich mir so anhöre, was die Menschen mir an Leid klagen…“
Reflexionsfragen
1) Meinst Du, ein Mönch kann und darf sich zur Ehe äußern? Warum/nicht?
2) Findest Du, dass Glaube etwas mit Lebenslust zu tun hat? Warum/nicht?
3) In welchem Verhältnis stehen Ehe und Freundschaft für Dich?