# 404: BOOK OF THE WEEK — “Gartenzaun Connection”
Geschichte hinter der Buchauswahl
Die Story hinter der Buchauswahl ist in diesem Fall so schön, weil ich das Buch gar nicht ausgesucht habe. Es hat mich gefunden — und zwar quasi über eine „Gartenzaun Connection“. Die Autorin selbst nämlich hat es mir letzten Sommer in der Nachbarschaft geschenkt, auch wenn sie hier zwar nicht wohnt, aber trotzdem regelmäßig zu Gast ist. Und gleich dazu lieh sie mir auch noch ihr Erstlingswerk, das ich sicher zu einem späteren Zeitpunkt noch besprechen werde. Doch es geht mir wie immer nicht um eine „Buchbesprechung“ im klassischen Sinne. Es geht darum, die Passagen zu reflektieren, die mich besonders angesprochen haben. Und davon gab es eine Reihe…
Vorweg muss ich noch sagen, dass ich dieses Buch verschlungen habe wie damals in der Teenie-Zeit meine TKKG-Bücher. Wahrscheinlich habe ich seitdem nicht mehr mit Leidenschaft Kriminalgeschichten gelesen. Ja, natürlich gab es ab und an mal einen Krimi dazwischen, aber dann war es eher harte Kost. Diese page turner, diese „leichten“ Geschichten, die nicht 500 Seiten brauchen, um eine Geschichte aufzubauen und trotzdem so voller Spannung sind, habe ich schon lange vergessen. Wenn ich es recht überlege, waren es genau jene Bücher, die mich damals zum Lesen gebracht haben. Ich habe die Krimis, auch Miss Marple, in den Ferien und überhaupt in wenigen Stunden verschlungen.
Wahrscheinlich liegen dort die Ursprünge meiner Phantasiewelt.
Vielleicht war sie auch schon immer in mir.
Das Lesen jedenfalls begann mit Krimis.
Soweit ich mich erinnere, überreichte mir besagte Autorin Doris das Buch gar nicht explizit mit dem Hinweis, dass es sich um einen Krimi handelte. Vielleicht habe ich es auch einfach vergessen. Viel wichtiger ist, dass dieses Buch aus der Feder von jemand stammt, der bzw. die einen Beruf wie „Du“ und „ich“ hat und darin auch gut beschäftigt ist. Und trotzdem bekommt sie es hin, eine so wunderbare Geschichte so zu erzählen, dass man einfach weiterlesen will. Man lernt die Charaktere lieben und man kann sich die Nachbarschaft im beschaulichen Wasserburg, wo die Geschichte spielt, sehr schön vor dem inneren Auge ausmalen.
Zumal gleich die erste Szene nicht krachender in das Buch einleiten könnte.
Doch die zitiere ich hier nicht.
Ich will ja dem Leser die Spannung nicht nehmen.
Stattdessen haben mich an dem Buch gerade jene kurzen Passagen oder vermeintliche Nebensächlichkeiten gepackt, die sehr wenig mit der eigentlichen Kriminalgeschichte zu tun haben. Wie immer sind es jene „Lebensweisheiten“, die mich haben nachdenken lassen, die unser Leben täglich begleiten — ob dieses nun gerade eher einem Krimi oder einer Komödie gleicht. Beides kommt immer und immer wieder vor. Und so ist es auch im Leben von Karin, der Protagonistin, die auf den etwa 200 Seiten in schnellem Tempo eine Achterbahn befährt, für die sie nie nach einem Ticket gefragt hat. Allein die Frage bleibt, ob diese schöne und spannende Geschichte wirklich mit dem Titel „Gartenzaun Connection“ so gut erfasst wird.
Aber Buchinhalt und Buchmarketing sind eben zwei unterschiedliche Welten.
Das erfährt jeder Autor ständig am eigenen Leibe.
Gut nur, dass man den Titel beim Lesen in der Regel eh vergisst.
- Nicht weinen
Diese Passage ist in zweierlei Hinsicht schön. Man muss schmunzeln — ich zumindest. Und man erkennt sich und die Welt wieder. Denn wie oft ertappen wir uns selbst in Situationen, in denen Menschen unsere Gefühlsregungen, auch unsere Handlungen, in einer Weise (miss)deuten, die nichts mit den Tatsachen zu tun hat, so wie wir sie empfinden. Auch wir tun das ständig. Und doch gibt es diese Momente, die so außergewöhnlich sind und wir so am Ende, dass auch aus diesen Fehlinterpretationen eine tragische Komik entsteht. Eine Frau, deren einzige Verwandte gerade verstorben ist und deren Koffer nun zu allem Übel auch noch weg sind, hat allen Grund zum Weinen. Aber die Koffer geben nicht den Anstoß zum Weinen, genauso wenig wie der vermeintlich tröstende Satz der Bayerin ein Lachen hervorzaubern kann.
Ich weiß nicht, wie oft ich solche Momente schon erlebt habe. Ich wusste in diesen Momenten, dass meine Traurigkeit oder auch meine Freude im jeweiligen Moment völlig fehlinterpretiert wurde. Und doch konnte mir das einfach nur egal sein. Ich wusste darum und mir war es gleich, denn die Emotion allein hatte einen Grund, der so viel größer war als das, was andere dachten oder meinten, dass es einer „Aufklärung“ oder „Richtigstellung“ nie bedurfte. Leider braucht es aber immer wieder diese Momente, die uns zeigen, wie selbstverständlich unser menschliches Gehirn ständig alles und jeden interpretiert. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum auch Krimis so unterhaltsam sind. Wir springen ständig ans Ende unserer Interpretation und finden dann heraus, dass der Mörder doch jemand ganz anderes war.
So auch in diesem Buch.
Aber das darf ich natürlich nicht verraten.
Obwohl es für mich eigentlich keinen Unterschied machen würde.
Das Komische beim Lesen von Krimis bei mir ist, und beim Fernsehen ist es ähnlich, dass ich Krimis nicht in erster Linie wegen der Lösung des Falls lese/sehe. Im Prinzip lese ich sie wie jeden Roman. Mich interessieren häufig sehr viel mehr die Nebensächlichkeiten oder Randthemen. Sicher ist die Neugier dafür verantwortlich, das Buch dann auch schnell zu Ende zu lesen. Aber der Genuss an sich liegt in der Schilderung der Menschen und ihrer Eigenarten. Und die kommen eben ganz besonders gut hervor, je mehr im Leben schief geht. Und davon gibt es einiges.
2. Nicht sterben
Wie oft hören wir diesen Satz — halb Wunsch, halb Hoffnung: „Er/sie darf doch nicht einfach sterben.“ Irgendwie drückt dieser Satz aus, dass es zwei unterschiedliche Tode gibt. Der eine ist „normal“ und darf gestorben werden. Das ist der Tod eines „typischen“ 90-Jährigen. Er wird häufig mit dem Satz begleitet: „Er hat sein Leben gelebt.“ Damit ist dann meist alles gesagt. Dann gibt es da noch jene Tode wie den, dem Florian nun gegenübersteht. Der darf nicht sein, weil junge kräftige Leute einfach nicht zu sterben haben.
Vielleicht hat Covid den Menschen nun gezeigt,
dass viele Menschen sterben,
die es eigentlich nicht „dürften“.
Das ist das Schlimme an der Begegnung mit dem Tod,
dass er leider oft die trifft,
die es nicht treffen sollte.
Und dann wünschen wir uns,
dass es uns nicht erwischt.
Nicht nur als Sterbende,
sondern primär als Angehörige.
Für Karin im Buch wäre dieser Tod definitiv einer zu viel in wenigen Wochen.
3. Nicht verstummen
Diese Szene ist so kurz und doch so vielsagend. Der Leser lernt die Eltern von Flori nicht über viele Seiten kennen. Und doch kennt er sie nach nur wenigen Sätzen, und zwar solchen wie diesen. Der Vater, der am Bett seines lebensbedrohlich verletzten Sohnes realisiert, was er alles hätte sagen können und nun Angst hat, dass er es niemals mehr sagen kann. Und dann ist da immer dieser Entschluss: „Diesmal…“ Wie oft ist dieses diesmal keinmal mehr? Manchmal ist zu spät wirklich zu spät. Und damit es uns nicht so geht, gibt es solche Bücher. Da stehen Sätze drin, die haben wenig mit Mörderjagd zu tun und umso mehr mit dem lebenslangen Lernen — über sich, die Welt und unsere Nachbarn. Dazu gehören auch Hund und Katz. Und sie alle entstammen der Phantasie von Menschen, die ihre Freizeit mit dem Schreiben verbringen.
Welchen schöneren Ansporn könnte es geben, es ihnen gleich zu tun?
Reflexionsfragen
1) Wann hast Du zuletzt einen Krimi gelesen?
2) Inwiefern hat Corona den Umgang mit dem Tod in der „westlichen Welt“ Deiner Meinung nach verändert — wenn überhaupt?
3) Hast Du einmal etwas nicht ausgesprochen und es später bereut? Wird es ein „nächstes Mal“ geben, wo Du es anders machen kannst?