# 395: BOOK OF THE WEEK — “Wondrak für alle Lebenslagen”

Silke Schmidt
4 min readApr 10, 2022

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Janosch (2021). Wondrak für alle Lebenslagen.

Geschichte hinter der Buchauswahl

Manchmal ist es schwer zu wissen, was gerade in einem ist. Noch viel schwerer ist es, heraus zu finden, warum man tut, was man tut. Warum ich diesen Blog hier weiterführe, weiß ich nicht. Zumindest weiß ich es nie, wenn ich daran denke. Wenn ich dann aber, so wie in diesem Moment, wieder hier sitze und schreibe, dann weiß ich es. Ich könnte es aber nicht beantworten. Wahrscheinlich sind die Bücher, die ich beschreibe, immer die Antwort auf die Frage. Aber das wäre zu einfach. Überhaupt ist nichts so einfach, wie es wirklich ist, nur sehen wir das eben nicht.

Als ich dieses Büchlein vor wenigen Wochen am Bahnhof in Frankfurt an der Kasse sah, musste ich es kaufen. Eigentlich hatte ich schon fast bezahlt, aber das musste noch dazu. Natürlich ist das der ganze Verkaufstrick an der Stelle, aber das macht mir nichts. Bei Büchern darf das sein. Ich frage mich, ob Wissenschaftler auch Bücher wie dieses hier einfach sehen, kaufen und lesen. Überhaupt frage ich mich aktuell wieder sehr oft, was Wissenschaftler überhaupt machen und sind oder sein wollen. Das ist nichts Neues, wie jeder weiß. Ich denke in regelmäßigen Abständen darüber nach. Zum Glück fällt mir zwischendrin auch immer wieder etwas anderes zum Nachdenken ein.

Das Büchlein ist so schön, dass es einen traurig macht. Alles Schöne ist so voll Traurigkeit. Leider ist nicht alles Traurige schön. Die Welt liegt von Tag zu Tag mehr in Trümmern. Es fragt sich, was Janosch dazu sagen würde. Aber er würde dazu nichts sagen, da bin ich sicher. Janosch hat am Ende seines aktiven Schaffens Frieden mit allem gemacht, so steht es jedenfalls in dem biographischen Nachwort. Das ist schön. Und es geht nicht anders. Ein Künstler, der am Anfang seines Lebens mit allem Frieden macht, ist kein Künstler. Oder er ist es, aber er wird es nicht.

Wondrak ist einfach nur.

1. „Herr Janosch, wie bekommt man seine Tränen wieder in den Griff?“

Janosch 40

Die Figur des Wondrak wird in den Zeichnungen meist von der Tigerente begleitet. Ich erinnere die Tigerente gut. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als ich sie kennen lernte. Aber das spielt keine Rolle. Wondrak sagte mir nichts, bis ich dieses Buch hier aufschlug. Das hat vielleicht damit zu tun, dass Wondrak in der ZEIT erschien. Und ich lese DIE ZEIT nicht, oder nur selten. Im Flugzeug lese ich sie. Aber ich fliege momentan nicht. Hoffentlich bald wieder. Ob ich dann DIE ZEIT lese, bleibt abzuwarten. Für den Umgang mit dem Weinen brauche ich sie nicht mehr. Dafür hat mir Janosch schon alles erzählt.

2. „Herr Janosch, wie lösen wir all die Weltprobleme?“

Janosch 97

Liest man diese Zeilen vor dem Hintergrund des heutigen Krieges, fragt man sich, wer zuerst auf die Idee kam, diese Weisheit umzusetzen. Der, der den Krieg startete? Die, die den Krieg (hoffentlich) bald beenden? Vor dem Hintergrund, dass Janosch nie Weltverbesserer beschrieben und bezeichnet hat, ist diese Passage eine Revolution. Wondrek nimmt tatsächlich den Hammer in die Hand, um die Welt zu verändern. Das ist nicht Wondrek. Wondrek nimmt die Dinge so, wie sie sind, und macht das Beste draus. Wenn wir alle das täten, dann wäre schon viel gewonnen. Ob Wondrek uns dabei hilft, muss jeder selbst entscheiden. Leider ist es ja so, dass die allermeisten nicht auf Wondreks hören, auch wenn sie direkt neben ihnen stehen.

3. Phantasie

Janosch 120

Janosch hat das Größte erreicht. Er ist Kind geblieben. So richtig Kind kann man nur sein, wenn man schon mal erwachsen war — nur zu früh. Dann kann man sich entscheiden, wie man sich die Welt machen will. Man kann „mainstream“ machen, also erwachsen durchs Leben gehen und nichts verstehen. Oder man bleibt Kind und versteht alles. Dafür braucht es die Welt im Kopf. Janosch hat sie. Und viele Künstler haben sie auch. In dieser Welt gibt es nicht nur Helden, aber darin genau liegt der Punkt: Man muss selbst zum Helden werden, wenn man an der Welt im Kopf festhält. Andere verstehen das meist nicht. Es sei denn, man kann es ihnen erklären. Mit Texten und Zeichnungen.

Janosch ist mein Held.

„Wondrak ist nicht Janosch — aber er ist in gewisser Weise sein Alter Ego, vielleicht die bessere Version des realen Janosch. Geschichten wie jene über Wondrak kann nur jemand schreiben, der ein ganzes Leben gelebt hat. Und am Abend eines langen Lebens andere Gewissheiten hat als zu Anfang.“ (Janosch 121)

Reflexionsfragen

1) Wann hast Du Janosch kennen gelernt? Wenn Du ihn nicht kennst, willst Du ihn kennen lernen?

2) Was tust Du, um die Welt zu ändern?

3) Bist Du “erwachsen”?

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