# 375: BOOK OF THE WEEK — “Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft”
Story behind the Book Choice
Es ist nicht immer einfach, mit Naturwissenschaftlern zu arbeiten, wenn man selbst keiner ist. Aber es ist lohnenswert und zutiefst sinnhaft. In jedem von uns steckt ein Naturwissenschaftler, genauso wie in jedem von uns ein Philosoph steckt. Nur werden wir eben nicht alle Wissenschaftler. Planck war einer jener Wissenschaftler, die die Fahne der Theorie hochgehalten haben. Ja, er hat sogar geholfen, die Theoretische Physik überhaupt zu einem festen Bestandteil der Wissenschaft werden zu lassen. Das alles lernt man, wenn man ihm auch nur einige Seiten „zuhört“. Denn dieses kleine Büchlein basiert auf einem Vortrag und genau der hat es irgendwie in mein Regal geschafft.
Ich habe das Büchlein vor einigen Monaten wieder irgendwo aus einer „Zu Verschenken“ Box gekramt. Es war selbstverständlich, dass ich dieses hier retten musste, denn beides, der Name und der Titel, sprachen mich sofort an. Wenn ich sage, dass es sinnhaft ist, mit Physikern zu arbeiten, dann genau deshalb, weil sich viele von ihnen schon sehr früh im Leben die Frage gestellt haben über die großen Fragen der Welt. Zwar sagt man, dass die Naturwissenschaften nicht für das „warum“ sondern für die Ergründung des „wie“ zuständig sind. Trotzdem schwingt hinter der Erforschung von Fragen um dem Ursprung des Universums oder der Zusammensetzung der Materie auch immer ziemlich große Sehnsucht mit, die Ursprünge und damit auch den „Sinn“ des Menschseins zu erkunden.
Planck gibt in diesem Vortrag einen Einblick darin, was es heißt, nicht nur Physiker sondern Wissenschaftler im Allgemeinen zu sein. Der Titel trifft genau das, worum es dabei geht: Die Erforschung von Dingen, Gesetzmäßigkeiten, um Wissen in die Welt zu tragen. Dieses Wissen füllt Lücken, die wir zuvor vielleicht gar nicht erkannt haben. Aber sobald die Lücken zu sind, wird die Welt ein Stück einfacher, denn es gibt weniger Fragezeichen. So oder so ähnlich könnte man den Ansatz Plancks beschreiben, der sich den Seiten in kompakter Form findet. Und ich muss sagen, es lohnt sich, diese Gedanken zu lesen. Man weiß am Ende nur einen Bruchteil von dem, was Planck wusste. Und man kann sich nicht anmaßen, einen Überblick über sein ganzes Werk basierend auf diesen wenigen Zeilen zu haben. Aber die Tatsache an sich, dass er zu diesem Thema sprach, zeigt seine Gesinnung als Wissenschaftler, der sich über die Grenzen des eigenen Tuns bewusst war.
1. Voraussetzungen
„Aus nichts lässt sich nichts folgern.“ Ein solcher Satz mag jedem Kind einleuchten. Doch in der Wissenschaft braucht man oft viele Jahre, bis man sich der Tragweite dieser Tatsache, ja der Notwendigkeit, bewusst ist. In der Mathematik ist die Sache vielleicht noch einfacher, denn dort formuliert man explizit Randbedingungen, ohne die man eine Gleichung nicht lösen kann. In den anderen Fächern schleicht sich oft die eigene fachliche Perspektive unbewusst als implizite Annahme ein, die man schließlich verpasst, korrekt zu benennen. Entsprechend läuft man Gefahr, sich entweder zu viel anzumaßen oder aber sich komplett zu verlieren, da es keine Grenzen gibt.
Ich finde es erfrischend und sehr aussagekräftig, dass Planck hier schon auf den ersten Seiten die Größe der Mathematik und der Logik als das Handwerkszeug der „exakten“ Wissenschaften nennt, aber gleichzeitig ihre Randbedingungen und damit ihre Schranken aufweist. Wie ich schon oft beschrieben habe, ist ein Übel der interdisziplinären Fächerkonflikte, dass sich alle Seiten anmaßen, die Welt irgendwie besser erklären zu können als die anderen. Ich würde behaupten, dass die Logik in der Tat der kleinste gemeinsame Nenner ist, der die Welt zu erforschen und beschreiben vermag. Trotzdem gilt es, auch hier die Begrenztheit von Beginn an zu bedenken und notwendig zu benennen, um überhaupt forschen zu können.
2. Feinheit und Gesetzmäßigkeit
Diese Passage ist deshalb relevant, weil sie so schön einfach beschreibt, wie einfach Wissenschaft eigentlich ist. Sie ist nichts per se Kompliziertes. Sie vermag es schlichtweg, die Dinge in einer Tiefe zu ergründen und mit einem Regelwerk, welche im Alltag nicht vorkommen. Es ist deshalb nicht so, dass das „gewohnheitsmäßige Denken” und Ergründen grundsätzlich etwas anderes ist. Denn die Logik, wie Planck es unterstreicht, steht uns allen zur Verfügung. Dieser Gedanke ist deshalb zitierenswert, weil er die Wissenschaft zugänglich und prinzipiell eben nicht als abgehoben versteht.
3. Weltfremdheit
Die Frage der Weltfremdheit scheint dem Vorangegangenen entgegen zu stehen und doch tut sie es nicht. Vielmehr stehe ich radikal dafür ein, dass wir von beidem mehr brauchen aktuell: Mehr Weltzugewandheit und mehr Weltfremdheit. Wie das möglich ist, sieht man heute leider nur noch an einem Ort: den Klöstern. Früher war ein solcher Ort noch die Universität, teils auch noch zu Zeiten Plancks. Irgendwie waren da Wissenschaftler noch mehr in ihrer Welt und forschten doch an den essenziellen weltlichen Dingen. Das ist heute abhanden gekommen. Forscher werden nicht mehr fürs Denken bezahlt und wenn sie es doch tun, dann tun sie es oft gleich in so einem weltfremden Übermaß, dass sie den Wert des Gedachten aus dem Blick verlieren.
Mit Letzterem geht häufig einher, dass Wissenschaftler die Welt nicht einfacher sondern komplizierter machen. Das ist, so Planck, nicht Wesen der Wissenschaft. Und mit diesem Gedanken, ja mit dieser Ermahnung, möchte ich auch enden. Es bleibt jedem Wissenschaftler frei, sich die Fragen von Sinn und Grenzen der Wissenschaft täglich aufs Neue zu stellen. Und wenn dies dazu führt, dass ein wirklicher Beitrag zur Vereinfachung der Welt geleistet wird, weil wir einige Fragen weniger haben und dafür ein paar mehr Antworten, die natürlich neue Fragen aufwerfen, dann wäre Planck mit Sicherheit zufrieden. Und ich hoffe, es gibt heute noch Wissenschaftler, die es ihm gleichtun — in den exakten und in den weniger exakten Wissenschaften…
Aber was in noch höherem Grade zur Verwunderung herausfordert, weil es sich durchaus nicht von selbst versteht, das ist der Umstand, daß das neue Weltbild das alte nicht etwa aufhebt, sondern daß es vielmehr dieses in seiner ganzen Vollständigkeit bestehen läßt, mit dem einzigen Unterschied, daß es ihm noch eine besondere Bedingung hinzufügt — eine Bedingung, die einerseits auf eine gewisse Einschränkung hinausläuft, andererseits aber eben dadurch zu einer erheblichen Vereinfachung des Weltbildes führt.
Reflection Questions
1) Was ist aus Deiner Sicht die Grenze der Wissenschaft?
2) Was unterscheidet Wissenschaft aus Deiner Perspektive von „gewohnheitsmäßigem Denken“?
3) Wie stehst Du zur Weltfremdheit von Wissenschaft als Bedingung für neue Erkenntnisse?