# 371: BOOK OF THE WEEK — “Die Insel”

Link, Charlotte (2006). Die Insel: Eine unheimliche Geschichte.

Story behind the Book Choice

Manchmal weiß ich wirklich nicht, warum ich ein bestimmtes Buch jemals gekauft oder vom Sperrmüll mitgenommen habe. Bei diesem hier vermute ich, dass es hauptsächlich das Cover-Foto war, das mich fasziniert hat. Es zeigt eine gemalte Dünenlandschaft. Und natürlich war es der Titel! Ich mag Inseln, wenn auch nicht Sylt. Das liegt daran, dass ich noch nie dort war. Man kann nichts lieben, was man noch nie gesehen — noch nie erfahren — hat, oder doch? Jedenfalls wollte ich diese Woche etwas Kurzes lesen und etwas Literarisches. Und Charlotte Link ist immerhin nicht irgendwer und “aus der Gegend”. Daher hat es dieses Buch heut in den Blog geschafft. Ob sich das lohnt?

Zumindest habe ich es genossen, mal wieder eine Geschichte zu lesen, die an einen Krimi erinnert. Es ist wirklich eine „unheimliche Geschichte“, wenn auch eben kein richtiger Krimi. Trotzdem hat das Mini-Büchlein etwas, das alle (guten) Bücher, gerade Krimis, haben: Spannung. Man will einfach wissen, was jetzt genau mit dem Protagonisten ist. Das Spannende an diesem Buch ist, dass man zunächst keinen Schimmer hat, dass eben jener Protagonist ein Mörder ist. Man fühlt mit ihm, weil ihn die Frau verlassen hat — glaubt man. Und halbwegs durch das Buch wird einem klar, dass wahrscheinlich alles ganz anders ist…

1. Ein anderer Mensch

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Es stimmt schon, dass es Orte gibt, an denen man ein anderer ist. Ich weiß auch nicht, wie genau das kommt. Oder ich weiß es nur zu gut. Bei mir ist es die Wüste, bei der Frau ist es Sylt. Beim Protagonisten eben nicht, und darum rankt sich die Geschichte. Als ich mich eben gefragt habe, ob ich „Erzähler“ oder „Protagonist“ schreibe, war ich erstaunt darüber, dass es ein Protagonist und eben nicht der Erzähler ist. Man hat im Laufe der Geschichte das Gefühl, dass man die Welt durch seine Augen sieht. Und gerade deshalb erschreckt man sich umso mehr, wenn man dann herausfindet, dass das, was man vermutet hat, doch zutrifft.

2. Weltanschauung

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Diese Passage zur Weltanschauung steht im Zentrum der Schilderung über das Kennenlernen des Paares. Es ist interessant zu lesen, wie sehr dieser Aspekt scheinbar im Mittelpunkt stand. Gerade deshalb ist es äußerst dramatisch oder geradezu makaber, dass sich am Ende offensichtlich die Weltanschauung des Protagonisten ganz anders darstellt als gedacht. Abseits der „Unheimlichkeit“ im Untertitel dieser Story würde ich trotzdem sagen, dass es genau die Wertvorstellungen sind, die Menschen am Ende des Tages verbinden — oder eben nicht. Und Weltanschauung ist ein eigenartiger, ein großer, aber durchaus ein treffender Begriff, um das alles zusammen zu fassen.

Es sind die Werte, die bestimmen, wie man auf die Welt schaut. Und genau deshalb sind sie es auch, die einem den Blick verbiegen. Es dauert sehr lange, bis man lernt, ohne Wertung zu “schauen”. Und doch gelingt es kaum jemandem. Ich glaube, nein, ich weiß, dass es die Praxis der Spiritualität ist, die einen das lehrt. Aber das ist eine lange und harte Lehre, die wirklich Geduld braucht. Sie ist es aber wert, gelernt zu werden. Automatisch geht diese Lehre dann mit Sicherheit mit dem einher, was der Protagonist über Clara schreibt. „Dekadenz“ und „wenig Moral“ sind nichts für Menschen, die den Durchblick haben und die Welt so sehen, wie sie ist — schön und unheimlich zugleich.

3. Immer weiter

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Dieser Satz, „das Leben geht weiter“ ist so tief und gleichzeitig so unerhört, dass ich ihn noch nie so richtig begriffen habe. Nein, das stimmt nicht. Als ich ihn begriff, da war er so wahr, dass ich ihn zu schätzen lernte. Aber genau darin lag auch die Tragik. Es ist nun einmal nicht so, dass das Leben für „alle weitergeht“. Es geht aber in besonderer Weise für die weiter, die jemand verloren haben. Das genau ist das Tragische, aber auch das Heilende. Nur weil das Leben weitergeht, muss es auch weitergehen — irgendwie. Ich weiß nicht, wie viele Angehörige von Covid-Opfern diesen Satz schon gehört haben oder ihn sich gar selbst sagen hören. Ich hoffe nur, dass es nicht mehr so viele sein werden, deren Leben eben nicht weitergeht.

Reflection Questions

1) Do you associate a particular book/story with the word „scary/uncanny”?

2) Is there a place that makes you feel like you are a different person? Which one?

3) How would you describe your worldview in a few words?

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Founder & CEO of Companypoets

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