# 367: BOOK OF THE WEEK — “Streichholzbriefe”
Story behind the Book Choice
Es fühlt sich sehr komisch an, nicht mehr jeden Tag zu bloggen. Wahrscheinlich hat es genauso lange gebraucht am Anfang, sich daran zu gewöhnen, dass ich jeden Tag blogge. Man kann es dem Menschen eben nie recht machen. Ebenfalls komisch ist es, dass ich heute auf Deutsch schreibe. Aber das Buch ist in Deutsch und ich habe mich entschlossen, diese Einheit künftig stringenter einzuhalten. Ich bin mir noch immer nicht klar, wieso/weshalb/warum ich das mache und wer diese Texte mal in welcher Form auch immer liest. Aber gut — ich tue es in meiner unverbesserlichen Sturheit und Entschlossenheit weiter. Und natürlich habe ich sicher unterschwellig auch Angst, dass ich das Schreiben irgendwie verlerne, wenn ich es nicht mehr so regelmäßig tue.
Außerdem WEIß ich mittlerweile, dass ich zumindest EINEN Leser habe!
Die Auswahl heute ist der Kürze geschuldet, die ich heute zum Lesen hatte. Aber dafür war es eine sehr gute Wahl, dieses dünne Büchlein zur Hand zu nehmen. Ich war schon lange verblüfft über den Titel. Das Heftchen selbst hatte ich von einem Bücherflohmarkt gefischt und daher nicht bewusst erforscht, was genau “Streichholzbriefe” sind. Schaut man das auf Wikipedia nach, was man ja heute so zu tun pflegt, lernt man, dass es Ecos Zeitungskkolumne war, die er zunächst wöchentlich, später zweiwöchentlich, in einer italienischen Zeitung schrieb. Der wöchentliche Rhythmus scheint also durchaus meinem hier zu gleichen, wobei ich nicht Eco bin. Er ist, auch wenn man nichts über Literatur weiß, einer der größten Schriftsteller aller Zeiten. Und in diesen kurzen Texten lernt man, dass er vor allem ein wunderbarer Philosoph und Mensch war, der seine Zeitgenossen und die Welt stets mit einem Augenzwinkern beobachtete. Man hat viel zu schmunzeln bei der Lektüre. Das sollten wir jetzt auch tun…
My Learnings
1. Bücher
Es wundert nicht, aber Menschen deren Leben zu großen Teilen aus Büchern bestehen, schreiben auch stets über Bücher und das Schreiben. Auch Eco tut dies durchweg in den ausgesuchten Texten. Und dieser hier, der auf den ersten Seiten zu finden ist, hat mich sofort zum Nachdenken gebracht. Es gibt wohl kaum eine ausschweifendere Bücherorgie als einen täglichen Blog über Bücher, wie ich ihn betrieben habe. Und genau hier liegt denn wohl auch die Gefahr der Konfusion.
„Viele Bücher bedeuten viele Ideen, aber zu viele Bücher verwirren die Ideen, da man nicht mehr weiß, wo man anfangen und wie man auswählen soll.“
Da hat Eco natürlich völlig recht. Insofern hilft mir der Sonntagsblog zu den Büchern zumindest, auch manchmal nach sehr pragmatischen Zeitgründen eine Auswahl zu treffen, die mich eben nicht in der Auswahl an sich schon verlieren lässt. Doch was Ecos Texte hier auszeichnet, das ist sicher dem Zeitungsformat „geschuldet“, ist auch ein kleines Stück Wissenschaftsjournalismus. Er verknüpft seine Themen mit aktuellen Erkenntnissen, teils aus der Wissenschaft, und reflektiert so ebenfalls den schon so oft und immer wieder vorausgesagten “Tod” des Buches. Es ist sehr interessant, diese Gedanken nach zu verfolgen und dabei auch zu lernen, dass die Zahlen, Daten, Fakten eben oft nicht das sagen, was Skeptiker dem Verschwinden des Buches aufgrund der Verdrängung durch andere Medien vorausgesagt haben.
2. Grau
Diese Passage über das Lernen, dass Weisheit eben nicht Denken in Schwarz oder Weiß ist, hat mich natürlich bewegt. Sie bewegt mich täglich, da ich vermute, ihre Essenz immer besser zu begreifen und zu praktizieren. Dennoch ist es verlockend, sich dem Schwar-Weißen hinzugeben. Und ich bin dem heute wieder näher als zuvor, und doch zugleich ferner. Ich denke sehr wohl, dass die Dichotomie ihren Platz hat als Zielgröße. Wenn ich eine sehr gute Leistung abliefern will, und zwar eine, die mir Freude bereitet, dann möchte ich mich am reinen Schwarz oder Weiß orientieren, was auch immer das „Optimum“ beschreibt. Das “Dazwischen” interessiert mich nicht. Gleichwohl weiß ich, dass das Ergebnis am Ende ein bisschen grau sein wird, denn wir sind alle Menschen…
Ob Menschen nun prinzipiell überhaupt „weise“ sein können in dem Sinne, wie sie es vielleicht idealtypisch anpeilen, ist eine andere Frage. Ich denke schon, dass es Menschen gibt, die diesem „Ideal“ sehr nahe kommen. Und das ist nicht nur schön, es ist unglaublich bereichernd. Ja, es kostet oft Kraft und Nerven, der Weisheit leibhaftig zu begegnen. Nicht jeder möchte den Gedanken aus der Tiefe folgen. Nicht jeder möchte damit konfrontiert werden, dass sein eigenes Denken im Schwarz-Weißen verhaftet ist. Dennoch sehe ich keinen anderen Weg, als stur daran zu glauben, dass Platon und damit auch Eco recht haben. Und genau deshalb vielleicht wusste auch Eco, dass Denker nur Menschen sind, und Philosophen auch aufs Klo müssen.
3. Philosophen
Diese beiden Seiten muss ich einfach komplett zeigen. Jeder, der meine Texte gelesen hat, wird mich darin erkennen. Man mag sich fragen, wie sich Menschen in den Kopf setzen können, täglich zu schreiben. Und letztlich vermutet man, dass das Denken, das dem Schreiben zugrunde liegt, nicht gänzlich im Moment stattfindet, wo die Worte auf das Papier fließen. Und genau deshalb stimmt es, dass der Denker sich quasi durchweg mit Denken beschäftigt — ober er es will oder nicht. Es ist ihm wohl in die Wiege gelegt und scheint ihn zu beglücken, sonst täte er es nicht. Und wenn dieses Denken dann zu solch fabelhaften Zeilen führt wie von Eco beschrieben, so möchte ich darüber selbst weder mehr denken noch schreiben, sondern mit einem der lehrreichsten Sätze der Passage schließen. Er ist die Essenz dessen, was der Leser und vielleicht selbst Schreiberlinge von Eco lernen können:
„Notiert euch nicht die Gedanken, die euch am Schreibtisch kommen, sondern die, die euch auf dem Klo kommen.“
Wer weiß, ob das nicht das Geheimrezept hinter meinem täglichen Blog war?!;o)
Reflection Questions
1) Wenn Du eine wöchentliche Kolumne in einer Zeitung schreiben würdest — wie würdest Du sie nennen?
2) Bist Du ein Schwarz-/Weißdenker oder ein Graudenker? An welchem Beispiel sieht man das?
3) Wann/wo denkst Du am meisten nach?